Sprechstunde: Bürger-Talkshow „Einkaufen“

am 24. April 2015 | in faktor kunst 2013, Public Residence: Die Chance | von | mit 0 Kommentaren

Eine Talkshow zu Gast bei der Sprechstunde – so ist der Ansatz für den heutigen Sonntag, einem Sonntag, der tagsüber Licht in die tristen Straßen des Viertels brachte. Sonne und klirrende Fußkälte. Wen würde das Thema „Einkaufen“ reizen, verarbeitet mit einem Begriff, den wir alle mit Will, Jauch, Maischberger und – ja auch – mit Markus Lanz verbinden? Es ist die erste Variable innerhalb dieser absichtlich diffusen Reihe.

22. Februar 2015, 18 Uhr

Das Ladenlokal mit dem von mir favorisierten Namen „103“, schlicht und gut wie der gleichnamige Brandy aus Spanien, bräuchte eine Grundatmosphäre an den Sonntagen mit angenehmem variablen Licht, Beamer, Leinwand, Soundmaschine, offenen Sitzanordnungen und begleitender Besetzung. Dazu ein Plakat mit dem Hinweis auf das 103-Programm!

Ein Hausbesitzer ist zu Gast. Er will sein Haus und sein Grundstück durch Künstler verschönern lassen, will mitspielen beim Frisieren des Viertels. Er fand das Programm in einem Laden und besonders die Postkarte mit dem Mond-Landung-anmutenden Bild des Borsigplatzes zur „Landnahme“ hat es ihm angetan.

Heute zu Gast also: Bürger-Talkshow zum Thema Einkaufen vor Ort, einem Thema von starker Präsenz seit langem, vor allem der letzten zwei Jahre – Fleischesser, Vegetarier, Veganer, Lebensmittelindustrie, Massentierhaltung, Biohöfe, Discounter-Tests, Supermärkte.

Der Tante Emma Laden ist längst klar tot. Überall in Europa gibt es Mini-Supermärkte im Franchising-System, oft großen Ketten untergeordnet wie Spar in Spanien (betrieben überwiegend von Subkontinentalen). Wer kauft wann warum wo ein und wie war es früher. Ein Rundumblick ins Viertel. Das Halbrund ist dann doch gut besetzt. Wieder neue, andere liegen grippal danieder. Früher gab es in der Straße 3 Metzger, 2 Bäcker, einen Fischhändler, Frisöre, Nähstuben. Ja, früher, da gab es auch noch Pferdebahnen und die Discounter weit entfernt in Massachusetts. Es herrscht heute kein Notstand, aber Mangel. Was tun? Einkaufsgemeinschaften unterstützen und ausbauen? Tauschgeschäfte? Banane gegen Gummipistole? Ein Markt kommt als rettende Idee ins Gespräch, längst vorsichtig initiiert vom Kioskmann gegenüber. Vor dem Hoeschpark, vielleicht gar nachmittags. Allgemeine Zustimmung. Und hier wäre die Kunst wieder gefragt. Kreative Ideen für die Attraktivität eines Lebensmittelmarktes durch zusätzliche Reize und Aktionen. Yes, we can do that. Aber will das die Bevölkerung vor Ort? Marktrecherche ist angesagt.

„Die türkischen Obst- und Gemüsehändler haben sich verbessert“, meint die Alteingesessene. Die Verständigung sei gut und Waren für den alltäglichen Bedarf sind ins Sortiment hinzugekommen. André bereitet inzwischen eine geheimnisvolle Linsensuppe vor. Es werden Verabredungen getroffen für kleine geheime Gespräche in kleinen intimen Sprechstunden. Ich werde mich also weiter in die Geschichten hineinstöbern, die hier in der Luft liegen. Nach erst drei „Sprechstunden“ liegt die Vermutung nahe, sie seien ein Erfolg, zumindest in der Spur dahin, Ort und Veranstaltungsform zu etablieren. Heute Abend kommt der dunkle Tatort aus Frankfurt. Das „Abendbrot“ ist aus den Beständen von Aldi, Lidl oder Rewe.

Das Vorhaben

Es könnte ein Drehbuch entstehen, ein Hörspiel oder gar Theaterszenen. Dazu lädt der Autor, Regisseur und Schauspieler Rolf Dennemann sonntäglich um 18 Uhr die Bewohner um den Dortmunder Borsigplatz ins „Ladenlokal 103“, in die Oesterholzstraße 103 ein. „Sprechstunden“ nennt Rolf Dennemann dieses Format, welches im Rahmen des Kunstprojektes „Public Residence: Die Chance“ stattfindet. Ein Raum wird geschaffen, der ein Bürgertreff ist, aber andere Wege geht. Austausch steht hier an erster Stelle: das Erzählen, Zuhören und Präsentieren. Die Kunst spielt dabei eine große, wenn auch unaufdringliche Rolle. So sollen Geschichten nah an der Lebensrealität der Bewohner und Besucher – wird Alltägliches – in Kunst verwandelt werden. Die Texte, die dabei entstehen, nennt er „Borsig-Blinks“.

Foto: Rolf Dennemann

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