Foto: Teresa Grünhage

Vom Wert der Arbeit und der Kunst

am 27. September 2017 | in Allgemein, Diskurse, Summercamp | von | mit 0 Kommentaren

Selbstausbeutung, Unterfinanzierung, der Druck, ehrenamtlich tätig sein zu müssen, Wertverlust der eigenen Arbeit und dann noch die Schwierigkeit, über Geld zu reden. Ein Horrorszenario der Arbeitswelt? Etwas, das viele Fachkräfte aus dem sozialen und kulturellen Bereich leider viel zu oft erleben. Ein Szenario, das auch in unserem Summercamp oft beschrieben wurde, das in diesem Jahr zum dritten Mal Studierenden aus den Bereichen Kunst, Kultur und Gesellschaft eine Plattform für den künstlerischen Austausch bot und im raum13 Deutzer Zentralwerk der Schönen Künste stattfand.

Vorbereitungen für den Workshop „Produktionshalle delta“. Foto: Teresa Grünhage

Auf der Vorstandsetage: Wieviel bin ich eigentlich wert?

Wir befinden uns in einem historischen Gebäude, in dem der Wert der Arbeit über Jahre hinweg klar definiert war, bis dann auch hier Stellen gekürzt wurden, ein Unternehmen sich anders orientiert hat und das vom Mensch geleistete Handwerk hinter die technisierten Produktionsprozesse trat: Im ehemaligen Werk des Motorenherstellers Klöckner-Humboldt-Deutz in Köln Mülheim. Hier findet unser diesjähriges Summercamp zum Thema „Perspektive Umbruch – Vom Wert der Arbeit“ statt. Die Künstler Anja Kolacek und Marc Leßle haben aus diesem Ort auf einer Fläche von 8000qm ein Kunstwerk inszeniert und führen uns durch die ehemaligen Büro – und Produktionsräume. Die Räume erzählen von einer Arbeitsstruktur, die es hier einmal gab und die es auch heute noch in vielen Unternehmen gibt. Eine klare Hierarchie, Machtaufteilung sichtbar durch die Größe der Büros, Vertäfelung der Wände. Ich kann mir geradezu vorstellen wie hier Sekretärinnen von links nach rechts über die Flure eilten und Akten an entsprechende Vorgesetzte verteilten. Eine Arbeitswelt in der die Fronten klar sind. In der nicht viel hinterfragt werden muss. Es funktioniert ja. Und die Altersvorsorge gibt es auch. Struktur und Sicherheit – scheinbar. Sicherheit und Struktur. Zwei Begriffe, die während des Camps immer wieder in Gesprächen und Diskussionen auftauchen. Stehen diese beiden Begriffe nicht völlig konträr zur Freiheit und Dynamik künstlerischer Prozesse?

Führung mit Anja Kolacek und Marc Leßle. Foto: Teresa Grünhage

Gefangen in gesellschaftlichen Strukturen: Wie kann ich in der heutigen Gesellschaft einen unkonventionellen Lebensentwurf verwirklichen?

Was macht mich als Künstlerin aus? Ist eine Verbindung meiner persönlichen Entwicklung mit meiner Karriere möglich? Wird meine künstlerische Arbeit als Arbeit anerkannt? Wieviel ist meine Arbeit wert? In welchem Verhältnis steht der materielle Wert, verkörpert durch monetäre Bezahlung, zum immateriellen Wert, der Sinnerfüllung meiner Tätigkeit? Was ist eigentlich unsere Währung: Die Anzahl der Zuschauer? Die Bezahlung? Die Anerkennung? Empowerment? Der Dienst an der Gemeinschaft? Meine Selbstverwirklichung?

Viele Fragen, die in den Workshops des diesjährigen Summercamps auftraten und diskutiert wurden und dabei häufig auf dem ersten Blick im völligen Kontrast standen zum Veranstaltungsort, dem ehemaligen Motorenwerk, in dem diese Fragen zu Betriebszeiten vielleicht erst gar nicht aufgetreten sind. Oder doch?

Viele Fragen aus dem Berufsfeld der Kunst und Kultur, scheinen auf dem ersten Blick sehr spezifisch und stellen sich in anderen Arbeitsfeldern vielleicht erst gar nicht. Doch vereint sie ein Gefühl, das es in jedem Arbeitsfeld gibt: Der Wunsch nach Anerkennung. Zugegebenermaßen gibt es viele Berufe, in den denen es so etwas wie eine etablierte Anerkennung gibt: Fixierte Gehaltstabellen, klare Aufstiegsstufen und Chancen, Urlaubsgeld, festgelegte Urlaubstage. Geregelte Anerkennung auf dem Papier. Aber reicht das aus?

Foto: Ruth Gilberger

Im Feld der künstlerischen Arbeit laufen viele Prozesse, wie im Camp deutlich wird, auf einer sehr persönlichen und emotionalen Ebene ab. Vieles ist verhandelbar. Klare Regelungen gibt es selten- so sind sogar häufig Finanzbeamte überfordert, wenn der oder die Kunstschaffende Fragen zur Steuererklärung hat. Hinzu kommt, wie ich im Camp immer wieder in Diskussionsrunden oder zwischen den Zeilen feststelle, eine Schwierigkeit über Geld zu reden. Je mehr persönliche Identifikation und Emotionalität mit der künstlerischen Tätigkeit verbunden wird, desto eher die Gefahr, des „Sich-unter-Wert-verkaufens“?

Eine Schlussfolgerung, die mir durch den Kopf schwirrt, wobei es natürlich eine Menge Faktoren gibt, die dazu beitragen, dass der oder die Kunstschaffende nicht fair für seine oder ihre Tätigkeit bezahlt wird. Anerkennung kann es auf verschiedenen Ebenen geben, doch ist eine Bezahlung unabdingbar für die eigene Existenz.

Diskussionsrunde und Vorbereitung einer künstlerischen Intervention. Foto: Teresa Grünhage

All you need is money?

In einem Workshop diskutieren wir deshalb genau dieses heikle Thema: Wieviel bin ich wert? Wieviel ist meine Tätigkeit wert? Welches Honorar kann ich verlangen? Wir stellen fest, dass es in der Gesellschaft und in vielen Förderprogrammen eine starke Tendenz im Berufsfeld Kunst und Soziales zur „Ehrenamtisierung“ gibt. Künstlerisches Arbeiten mit anderen Menschen? Aber das geht doch wohl auch ehrenamtlich. Das macht doch schließlich Spaß, ist vielleicht eher Freizeit als Arbeit. Jeder, der gerne malt, kann doch auch mit anderen Menschen malen, oder etwa nicht? Wird dadurch eine Ausbildung zukünftig womöglich wertlos? Braucht es eine Ausbildung? Empörung bei den Workshopteilnehmenden, die sich ja alle noch in ihrer künstlerischen Ausbildung befinden. Wird der Wert künstlerischer Berufe überhaupt gesellschaftlich anerkannt? Themen über die wir mindestens weitere zwei Tage miteinander sprechen könnten.

Wann erfahre ich die Wertschätzung für meine Tätigkeit, die ich mir wünsche? Wann nehme ich einen Auftrag an? Weitere Fragen zu denen wir folgende Kriterien sammeln:

  1. Der Auftrag ist gut bezahlt.
  2. Ich möchte mit diesen Menschen gerne zusammenarbeiten.
  3. Ich kann mich sehr gut mit dem Inhalt identifizieren.
  4. Der Auftrag bringt mich weiter, bringt Prestige.

Was davon erfüllt ist, in welcher Reihenfolge scheint jedem auf andere Art und Weise wichtig. Aber dass mindestens zwei bis drei dieser Kriterien für die Annahme eines Auftrags erfüllt sein sollten, darüber sind sich alle Anwesenden einig. Vielleicht ein erster Schritt für die eigene Wertschätzung und das sichere Auftreten in Honorarverhandlungen.

Antworten, aber auch noch mehr Fragen

Viele Fragen wurden im Camp beantwortet, aber auch mindestens genauso viele wieder neu aufgeworfen. Ob durch Einblicke in die Arbeit zweier Teilnehmenden aus Uganda, die zur Zeit des Camps Gäste des raum13 waren, oder auch durch den Einblick in den Prozess des sich „Selbstständigmachens“ einer Teilnehmerin, die ein neuartiges Flohmarktkonzept entwickelt hat, oder durch das gemeinsame künstlerische Schaffen während des Camps: Es stellen sich immer wieder Fragen zur Rolle von Kunst in einer sich radial verändernden Wirklichkeit und die Frage, ob Kunst etwas soll, muss oder einfach da sein darf.

Rückblick auf die im Camp initiierte künstlerische Intervention „Kreativ-Arbeiter-Strich“ auf dem Wiener Platz in Köln Mühlheim. Foto: Teresa Grünhage

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