Kann es einen Borsig-Geschmack geben? Nein, sagt Irene Gagoupulos: Zu viele verschiedenen Menschen und Kulturen leben im den großen Platz um Dortmunder Norden beisammen. Warum sie trotzdem mit viel Engagement beim „Geschmacksarchiv“ von Angela Ljiljanic im Rahmen von Public Residence mitgemacht hat, erklärte sie am 6. November 2015 Teresa Grünhage in einem persönlichen Telefonat.
Wie kam es dazu, dass Sie am Projekt teilgenommen haben?
Ich war mit meinem Enkelkind bei einem Sommerfest. Dort habe ich „Chancen“ bekommen und wusste erst einmal gar nicht, was ich damit machen konnte. Später habe ich dann die Künstlerin Angela und André von Borsig11 bei mir zu Hause im Hof getroffen. Sie haben mir von der Hochbeete-Idee erzählt. Das klang toll. Und so habe ich dann mitgemacht.
Welche Aufgaben haben Sie dann übernommen?
So richtig ging es für mich erst los, als die Pflanzen in den Hochbetten langsam zu sehen waren. Da habe ich angefangen zu überlegen, wie man sie verwenden könnte. Ich experimentiere unglaublich gern in meiner Küche.
Also braucht es für Sie nicht all zu viel Mut, etwas Neues in der Küche zu kreieren?
In der Küche gibt es keine Grenzen. Du musst Lust, Mut und Phantasie haben. Bei Pflicht kann es nicht klappen. Alles muss mit Lust und Liebe gemacht werden. Und wenn die Liebe vorhanden ist, dann schmeckt das Essen auch danach.
Woher bekommen Sie in der Küche Ihre Ideen?
Ich vertraue meinen Gefühlen und habe ganz viel von meiner Mutter gelernt.
Wie war es dann für Sie, Ihre neuen Kreationen der Öffentlichkeit zu präsentieren und zu verkaufen?
Aufgeregt war ich nicht. Meine Mutter hat immer gesagt: „Egal was du im Leben machst: Du brauchst keine Angst zu haben.“ Für mich gibt es nur ein Ja oder ein Nein. Entweder du springst ins kalte Wasser oder nicht. So geht es mir, seit ich mit 18 Jahren von Griechenland nach Deutschland gekommen bin. Gut Deutsch sprechen konnte ich nicht. Ich habe gekämpft, ganz ohne Dolmetscher und es hat immer irgendwie geklappt.
Ich war neugierig, wie es den Leuten schmeckt und ob sie erschmecken, was drin ist.
Was gab es denn alles zu schmecken?
Eigentlich waren es keine sehr ausgefallenen Sachen. Wir haben völlig alltägliche Dinge verarbeitet, zum Beispiel Pflaumen zu Marmelade. Aber das Besondere waren eben die Gewürze oder die Kräuter, die jeder Kreation den ganz besonderen Geschmack gegeben haben.
Was war ein ganz besonderer Moment für Sie?
Der Tisch! So groß, toll gedeckt und die vielen Menschen! Das war ein unglaublicher Augenblick. Auch war es toll, dass auf den Etiketten keine Zutaten zu lesen waren. Es war wie ein Spiel. Die Leute mussten die Zutaten erschmecken und das war für manche ganz schön schwer. Da war zum Beispiel eine Frau, die überhaupt keine Auberginen mochte. Ich hatte aus Auberginen aber eine Paste gemacht, sie mit dem Mixer zerkleinert und gewürzt. Der Frau hat es sehr gut geschmeckt und sie konnte gar nicht glauben, dass das Auberginen waren. Toll war auch, dass zu Beginn noch eine Rede gehalten wurde, bei der alle erwähnt wurden, die mitgemacht haben. Und das Fernsehen war da!
War Ihre Familie auch bei der Eröffnung des Geschmacksarchivs dabei?
Leider nicht. Aber nicht, weil sie nicht wollten, sondern weil sie an dem Tag nicht konnten. Sie probieren aber sehr gerne. Ich habe zum Beispiel eine Schwiegertochter, die aus jedem Gericht alle Gewürze herausschmecken kann, die ich hineingegeben habe.
Gibt es denn so etwas wie einen typischen Borsig-Geschmack oder könnte man so einen entwickeln?
Den gibt es nicht. Es gibt ja auch kein typisches Gericht am Borsigplatz. Hier leben Menschen aus vielen Ländern und Kulturen zusammen. Da vermischen sich viele Geschmäcker und Gerichte. Ich gehe regelmäßig zu einem Nachbarschaftstreff. Wir alle kommen aus unterschiedlichen Ländern. Wir kochen auch öfters zusammen und ich werde oft gefragt, ob ich koche. Das mache ich gern, aber freue mich auch immer sehr, wenn ich von den Anderen was lernen kann.
Bei dem Projekt haben Sie Ihre „Chancen“ gegeben, damit Angela Dinge, die für das Projekt gebraucht wurden, kaufen konnte und sie alle gemeinsam weiterarbeiten konnten. Haben Sie nun noch Chancen?
Oh ja. 700 Chancen! Die habe ich verdient! Was ich damit mache, weiß ich noch nicht. Mal sehen, was bald noch so am Borsigplatz passiert.
Geht es mit dem Geschmacksarchiv weiter?
Ich bin schon von Nachbarn gefragt worden, ob wir drei Frauen nicht ein Geschäft eröffnen wollen. Aber wie soll das gehen? Wir sind nicht in dem Alter, in dem man das so einfach macht. Vielleicht gibt es ja ein paar junge Menschen, die die Idee weiterdenken können. Aber in meiner Küche geht es natürlich weiter!
Ich freue mich auch sehr, wenn Angela vorankommt! Sie soll weitermachen. Das ist ganz toll, was sie macht.