Foto: Angela Ljiljanić

Geschmacksarchiv: Herr Wiesnewskis nachbarschaftliche Taten und Ideen

am 17. Februar 2015 | in faktor kunst 2013, Public Residence: Die Chance | von | mit 0 Kommentaren

Seit über 50 Jahren lebt Herr Wiesnewski in der Dortmunder Nordstadt und freut sich über den frischen Wind, der seit dem letzten Sommer im Stadtteil weht. Aktiv beteiligt er sich an den Hochbeeten und dem Geschmacksarchiv, die die Künstlerin Angela Ljiljanic bei Public Residence ins Leben gerufen hat. Teresa Grünhage hat mit ihm über seine Aktivitäten und Ideen gesprochen. Ihr Telefonat fand am 13. November 2014 statt.

Herr Wiesnewski, wie kam es dazu, dass Sie am Projekt teilgenommen haben?
Ich bin von Angela Ljiljanic angesprochen worden, ob ich Lust habe mitzumachen. Das hatte ich.

Welche Aufgaben haben Sie dann übernommen?
Ich habe das nötige Equipment im Keller. Alles vom Akkubohrer bis zur Stichsäge. Das ist sehr praktisch, wenn man hier etwas bauen möchte. Ich konnte mich handwerklich sehr gut einbringen und habe die Hochbeete aufgebaut und auch zum Beispiel die Rollen unter die Beete montiert. Wenn die Erde nass wird, dann sind die Beete so schwer, dass sie sich kaum bewegen lassen. Da sind Rollen sehr praktisch.

Was hat Ihnen am besten an dem Projekt gefallen?
Ein Vorteil für mich, an der Hochbeete-Aktion mitzumachen, war das Hin- und Herlaufen. Ich habe mich unglaublich viel bewegt. Das hält frisch. Das war ein schöner Nebeneffekt.
Für mich ist es schön, wenn ich bei Dingen handwerklich helfen kann. Auch war es schön, mit Tolger zusammenzuarbeiten. Tolger ist mein Nachbarsjunge und er hilft mir sehr viel. Er hat großes Interesse, etwas Neues handwerklich zu lernen. Und ich kann ihm etwas beibringen. Er darf sich auch das Werkzeug aus meinem Keller holen. Da vertraue ich ihm ganz.

Wie kommt es, dass Sie sich so gut handwerklich auskennen?
Das, was ich an Handwerk gelernt habe, habe ich mit den Augen gestohlen. Ja, es ist wirklich so. Wie kann ich das beschreiben? Wissen Sie, ich habe sehr viele Berufe gehabt. Und überall habe ich hier und da mal zugeschaut. Da nehmen die Augen und der Kopf viel mit. Zuerst habe ich als Tankwart gearbeitet. Dann war ich Bergmann, sogar mit Hauerbrief. Dann habe ich im Straßenhoch- und Tiefbau gearbeitet. Ich war selbstständig und hatte mehrere Mitarbeiter. Dann wurde ich Berufskraftfahrer und danach Elektriker. Ich kann also sehr viele Sachen. Aber oft fehlt mir das Material, um meine Ideen auch umzusetzen.

Foto: Angela Ljiljanić

Wie war das mit dem Material bei diesem Projekt?
Zum Glück konnten wir dafür unsere Chancen einsetzen. Ich habe zweimal 100 Chancen bekommen. 100 Chancen wie jeder Anwohner hier. Als Start. Dann habe ich 100 Chancen bei meiner Arbeit hier verdient. Eingesetzt habe ich meine Chancen für Material wie zum Beispiel für die Rollen der Hochbeete. Das mit den Chancen ist super. Ich bin Rentner und kann eben nicht alles bezahlen. Dass die Chancen für Material ausgegeben werden, ist genau richtig.

Werden die Hochbeete denn in Ihrer Nachbarschaft gebraucht?
Ja, auf jeden Fall. Hier kommt man in Kontakt miteinander.

Foto: Angela Ljiljanić

 

Foto: Angela Ljiljanić

Gibt es etwas, das Ihnen nicht gefallen hat?
Ich habe erwartet, dass es noch mehr Teilnehmer gibt. Vielleicht so drei bis vier mehr. Aber hier in dem Viertel gibt es auch viele ältere Menschen, die können eben nicht mehr so einfach mitmachen. Andere zeigen oft kein Interesse.
Wissen Sie, ich sitze gern draußen. Auch gerade sitze ich auf einer Bank in der Sonne. Es wäre schön, wenn die Leute, die hier vorbeikommen, auch einmal stehen bleiben. So könnten wir ins Gespräch kommen.

Wie geht es mit den Hochbeeten weiter?
Momentan bin ich dabei, ein weiteres Beet vorzubereiten. Da werden wir bald Spinat anpflanzen. Dafür ist jetzt die perfekte Zeit. Kurz bevor der Frost anfängt, muss das passiert sein. Natürlich werde ich mich dafür einsetzen, dass die Beete weiter bepflanzt werden. Ich brauche aber unbedingt die Kontakte von Angela Ljiljanic, damit wir die Samen bekommen und es weitergehen kann im nächsten Jahr, auch wenn sie dann leider nicht mehr am Borsigplatz ist. Ich habe auch schon sehr viele andere Ideen. Zum Beispiel befestige ich bald hier Lichterketten für die Weihnachtszeit.

Woher bekommen Sie Ihre Ideen?
Ich bekomme meine Ideen, wenn ich mich hier umschaue. Da gibt’s immer etwas zu tun. Die Bank bei Frau Reinhold zum Beispiel. Da müssen dringend die Hölzer ausgetauscht werden, damit sie auch weiterhin hält. Dann fahre ich in den Baumarkt, kaufe noch das, was mir fehlt, und lege los.

Wie lange leben Sie schon am Borsigplatz?
Ich lebe seit 2006 hier. Davor habe ich 50 Jahre am kleinen Borsigplatz gelebt. Ich werde hier wohnen bleiben, bis ich das Haus mit den Füßen voran verlasse. Mir gefällt es hier.

Was wünschen Sie sich für Ihre Nachbarschaft?
Ich möchte Leute zusammenbringen, damit wir reden können. Aber sie müssen von allein kommen. Es wäre schön, wenn die Nachbarn einfach mal rüberkommen, um Gespräche zu führen. Aber da gibt es auch oft sprachliche Hindernisse. Viele verstehen hier nicht soviel Deutsch oder trauen sich leider nicht Deutsch zu sprechen. Es gibt hier aber auch viele türkische Familien, die sehr gut Deutsch sprechen. Sie sind aber leider berufstätig und haben nicht sehr viel Zeit.
Wissen Sie, ich habe da so eine Idee. Vielleicht ist sie ein bisschen zu groß. Aber es ist gerade eben mein Traum. Es wäre so toll, bei uns im Hof einen kleinen Weihnachtsmarkt für alle Nachbarn zu organisieren. Ich weiß nicht, ob das klappt. Aber es würde hier alle zusammenbringen. Jeder könnte etwas mitbringen. Wir könnten zusammen essen und reden. Wir könnten eine Gulaschkanone haben oder einen Crêpes-Stand. Crêpes mit Puderzucker, das wär doch was! Oder einen Bratwurststand!

Foto: Angela Ljiljanić

Waren Sie eigentlich auch beim Mauerfest am Vincenzheim? Was wünschen Sie sich, soll mit der Mauer passieren?
Ja, ich war auch dort. Wenn sie die Mauer richtig bemalen wollen, dann wird das teuer. Die ist ja unglaublich groß. Ich weiß gar nicht, ob es ihnen so bewusst ist. Und das sollte ja dann auch Jahre lang halten.
Ich habe auch eine eigene Idee, was man da machen kann. Stellen Sie sich vor, es gibt so etwas wie eine Straßengalerie. Nicht direkt ein Galerie, aber so etwas Ähnliches. Der ganze Straßenzug könnte voller Bilder sein. Bildsegmente, die verteilt sind. Vom Borsigplatz bis zum Tor der Westfalenhütte. Und auf der Mauer am Vincenzheim wären auch ein paar Bildsegmente zu sehen.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Wiesnewski!

Fotos: Angela Ljiljanic

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