Foto: Montag Stiftung Kunst und Gesellschaft

Partizipation ist nicht gleich Partizipation

am 08. September 2017 | in Allgemein, Diskurse | von UND | mit 0 Kommentaren

Leverkusen-Alkenrath: ein Lustschloss im Rokkoko-Stil, nach dem Zweiten Weltkrieg eines der ersten Museen für moderne und zeitgenössische Kunst in Nordrhein-Westfalen. Das Museum Morsbroich, mit malerischem Schlossgarten und Spiegelsaal bietet es eine geschichtsträchtige, prunkvolle Kulisse für die Ausstellung „Duett mit Künstler_in“ – eine Ausstellung, die zum Mitmachen einlädt.

So ein Schloss lädt dazu ein, seine Hallen vorsichtig zu durchschreiten und ja nichts zu berühren. Nichts betreten, das nicht dafür vorgesehen ist. Klassischer Museumsbesuch: mit leisen Schritten möglichst unbemerkt von Raum zu Raum schleichen, in gedämpfter Stimme sprechen, Kunstwerke bewundern. Vorsichtig die Begleitung fragen: Was glaubst du hat es damit auf sich? Dem Museumspersonal einen vorsichtigen Blick zuwerfen: Sagen sie mir, verhalte ich mich angemessen? Bitte das Kunstwerk nicht berühren. Ehrfürchtig das Schild neben dem Kunstwerk studieren und möglichst wissend dreinschauen: Name des Künstlers, Titel, Jahr, Material, Größe.

Das alles passiert beim heutigen Besuch nicht. In dieser Kulisse soll nicht nur ehrfürchtig gestaunt, gesehen und andächtig betrachtet werden. Denn die Ausstellung, die das Museum zurzeit beherbergt, steht deutlich im Kontrast zu ihrem Setting.

Vom 21. Mai 2017 bis 03. September 2017 findet hier die Ausstellung „Duett mit Künstler_in“ statt. Sie thematisiert „Partizipation als künstlerisches Prinzip“ und zeigt, dass das Prinzip der Partizipation auf sehr unterschiedliche Weisen praktiziert werden kann. Dabei bietet die Ausstellung neben der Dokumentation von Partizipation viele Exponate, die zum aktiven Beteiligen auffordern. Diese Einladung haben wir gerne angenommen und berichten ganz im Sinne der Ausstellung im Duett.

Gerhard: Regen: Das perfekte Museumswetter. Aber hier und heute eine Schande, dass wir nicht den Garten nutzen können. Zumal mehrere Exponate von „Duett mit Künstler_in“ auch im Skulpturenpark des Museums zu finden sind. Gerne wären wir über die Wege zwischen Wiesen und Bäumen spaziert. Wir begeben uns aber schnellstmöglich ins Trockene, kaufen uns Eintrittskarten, nehmen uns das Informationsmaterial zur Ausstellung und müssen vor den ersten Exponaten doch noch einmal abbiegen und uns den großen Veranstaltungssaal des Schlosses anschauen.

Fiona: Dann geht es aber los! Wir sehen Werke von

  • Vito Acconci
  • Davide Balula
  • Robert Barry
  • Joseph Beuys
  • Angela Bulloch
  • John Cage
  • Christian Falsnaes
  • Claus Föttinger
  • //////////fur//// art entertainment interfaces
  • Florian Graf
  • Rodney Graham
  • Hans Haacke
  • Jeppe Hein
  • Christine Hill
  • David Horvitz
  • Pierre Huyghe
  • Christian Jankowski
  • Yves Klein
  • Tomas Kleiner
  • Mischa Kuball
  • Dieter Meier
  • Bruce Nauman
  • Yoko Ono
  • OPAVIVARÁ!
  • Marjetica Potrč und Wapke Feenstra
  • Antje Schiffers – Myvillages
  • Tino Sehgal
  • Gabriel Sierra
  • David Shrigley
  • Juergen Staack
  • Rirkrit Tiravanija
  • Mary Vieira
  • Wolf Vostell
  • Franz Erhard Walther
  • Gillian Wearing
  • Franz West
  • Erwin Wurm
  • Haegue Yang
  • Zentrum für Politische Schönheit

Gerhard: Die Ausstellung beherbergt zwei Arten von Exponaten: Dokumentation von partizipatorischer Kunst und Kunstwerke, an denen die Besuchenden direkt partizipieren können. So schafft es „Duett mit Künstler_in“ ein breites Spektrum an Partizipation in den Künsten zu thematisieren.

Fiona: So werden wir dann unter anderem von Rirkit Tiravanija in „Ohne Titel 2015 (MORGEN IST DIE FRAGE)“ eingeladen, Tischtennis zu spielen und von Erwin Wurm durch Anweisungen zu „One Minute Sculptures“, zu performativen Skulpturen. David Shrigley ermutigt mit „Life Model II“ die Besuchenden, an einer überlebensgroßen Puppe die eigene Aktzeichenkunst auszuprobieren und spielt dabei mit dem künstlerischen Ideal der realistischen Zeichnung, die gerne einmal als Garant für sogenanntes künstlerisches Talent gilt. Hier sind jedoch alle aufgefordert, ihre Zeichnungen an die Wand zu pinnen, ohne Wertung, ohne realistische Darstellung eines Aktmodells, das ja gar nicht real existiert.

Gerhard: Dazu kamen die Dokumentationen vergangener Kunstwerke u.a. von Yves Klein („Zonen der immateriellen malerischen Sensibilität“), Christian Jankowski („Kunst und Krise“) oder Vito Acconci(„Following Piece“) in Text und Bild. Letzterer folgte für einen Monat jeden Tag einem zufällig ausgewählten Passanten in New York. Er gab die Kontrolle über seine Bewegung auf und begab sich in fremde Hände – gleich dem Kontrollverlust des Menschen über sich selbst. Christian Jankowski veranstaltete im Rahmen einer Konferenz über Kunst und Krise eine Benefiz-Versteigerung von Alltagsgegenständen aus staatlichen Institutionen und Behörden. Der Erlös sollte an kulturelle Einrichtungen gespendet werden. Noch einen Schritt weiter ging Yves Klein, der mit seiner Aktion an der Seine ebenfalls das Verhältnis von Kunst und Markt thematisierte. Er verkaufte aber keine Gegenstände, sondern Imaginäres. Das Zertifikat, das er für den Kauf ausstellte, sollte dann im finalen Akt vom Käufer verbrannt werden, um eine Abkehr vom Materiellen abzuschließen.

Fiona: Wir spielen mit, inszenieren mit, denken und lachen miteinander und mit den Kunstwerken, lachen auch über sie. Wir gehen die Definitionsspektren von Partizipation durch und grübeln über die Unterschiede zwischen den verschiedenen Kunstwerken und ihrer Möglichkeit zum Miteinander und Zwischeneinander.

Gerhard: Und nicht bei jedem Exponat sind wir uns einig, wie wir die Partizipation beschreiben oder bewerten sollen. Ich fühle mich manchmal benutzt oder überfordert, manchmal inspiriert. Manchmal macht es einfach Spaß, das Kunstwerk selbst zu benutzen. Wenn ich einfach mit einem der Exponate spiele, würde ich es dann noch als Kunst bezeichnen? Zum Beispiel bei Rirkit Tiravanijas Tischtennisplatten.

Fiona: David Shrigley hat uns eingeladen, an seinem Kunstwerk teilzunehmen, es dadurch mit unseren Zeichnungen erst zu ermöglichen. Ebenso wird Vito Acconcis Werk erst durch die Menschen realisierbar, die er verfolgt. Dennoch gibt es einen großen Kontrast, da im Ersteren das bewusste Zutun der Partizipierenden im Fokus ist und dadurch ein Prozess entsteht. Im Zweiteren wussten die Verfolgten nicht unbedingt um ihren Anteil zum Kunstwerk, der Künstler behält hier trotz völliger Leitung durch den Verfolgten die Machtposition. Ist das noch Partizipation?

Gerhard: Sich benutzt und überfordert zu fühlen, kam oft Hand in Hand. Vielleicht war ich überfordert, weil der Künstler mich nur benutzt hat. Oder ich habe mich benutzt gefühlt, weil ich überfordert war. Wie bei Erwin Wurm. Was sollen die „One Minute Sculpures“ in mir auslösen? Ist das Konzept einfach nur sehr niederschwellig, oder einfach zu hoch für mich? Oder die Versteigerung von Christian Jankowski: Für mich hätte die Performance auch funktioniert, ohne dass ich dort viel Geld gelassen hätte.

Fiona: Dabei schwingt zwischen Spiel, Humor und Zwischenmenschlichkeit immer das Politische mit – der Gedanke der Teilhabe an künstlerischen und weitergehend gesellschaftlichen Prozessen. Was bringt mir die Möglichkeit, aktiv in Kunstwerke einzugreifen? Vielmehr: Als Besuchende bin ich Teil des Kunstwerks. Meine Funktion, meine Aufgabe, meine Handlungen. Meine Veränderung und Veränderung durch mich. Das Künstlerische und das Gesellschaftliche überlagern sich somit schließlich und wie könnte man diese ehrfürchtige, malerische Schlosskulisse – beziehungsweise Museen überhaupt – besser nutzen?

 

Duett mit Künstler_in.

Partizipation als künstlerisches Prinzip
21. Mai 2017 bis 03. September 2017
Kuratorin der Ausstellung ist Stefanie Kreuzer.

Museumsverein Morsbroich e.V.
Gustav-Heinemann-Straße 80
D-51377 Leverkusen

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