BlindflugBorsig11, Oesterholzgate 69

am 11. März 2015 | in faktor kunst 2013, Public Residence: Die Chance | von | mit 0 Kommentaren

12. Januar 2015 – Punktlandung des Künstlers Frank Bölter in das große Unerwartbare „Public Residence: Die Chance“ am Borsigplatz in Dortmund. Wieder mit ihm abheben werden in selbstgebastelten Papierfliegern Grundschüler der Oesterholz-Grundschule. Hier sein unerschrockener Tatsachenbericht.

08.55 Uhr
Betreten des Lehrerzimmers der Oesterholz-Grundschule in der Oesterholzstraße. Frau A., Klassenlehrerin der Klasse 1C, sei noch in ihrer Klasse, komme jedoch in Kürze, um ihre Gäste von Machbarschaft Borsig11 abzuholen, so Frau Z., die Schulsekretärin.

09.00 Uhr
Katrin J., ebenfalls Lehrerin der Klasse 1C, holt die Gäste ab und lädt ein in den Klassenraum 002 im Erdgeschoss. Angeblich warten die Schüler schon ganz ungeduldig, neugierig und gespannt.

09.05 Uhr
Begrüßung der Gäste Benni (Assistent) und Papierfliegerfaltkünstler Frank, Amanda Bailey vom Verein Borsig11 hat sich entschuldigt und kommt verspätet nach. Nach einem kurzen Bericht des Künstlers über diverse Erfahrungen beim Papierfalten in Verbindung mit Reiseerfahrungen wird den Schülern der Vorschlag unterbreitet, lebensgroße Papierflieger zu falten, um damit selbst in den restlichen 80 Minuten um die Welt zu reisen oder wenigstens von der Schule zu fliegen. Nach nur anfänglichem Zögern nicken alle Schüler verständlich.

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Bevor es um das ‚große Werk‘ gehen könne, so wird behauptet, müssten die angehenden Flugzeugbauer zunächst einige Fingerübungen im kleinen Format machen, um sich die einzelnen Faltungen zu Gemüte zu führen und der einzelnen Faltschritte bewußt zu werden. Die Frage von Sibel: „Was ist Gemüt?“ kann vom Künstler nicht beantwortet werden. Die Frage von Mehdi: „Wo ist Bewusstsein?“ wird vom Künstler mit den Worten: „Ist da.“ ausreichend erläutert.

Als dann einige Papierfliegermodelle vom Praktikanten Benni vorgestellt werden, entscheidet sich die Klasse einstimmig in Form von Frau A. für das Modell „Simple Plane“. Jeder Schüler wird im Anschluss mit einem Papierbogen der Größe Din A4 versorgt, um die vom Künstler vorgeführten Faltungen selbst durchzuführen. Praktikant Benni vom Verein Machbarschaft Borsig11 assistiert, falls ein Schüler/eine Schülerin Hilfe benötigt.

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Schülerin Medike meldet sich, und fragt, ob sie mit ihrem Papierflieger nach Hause fliegen dürfe. Amir möchte mit, falls Frau A. es erlaube. Der Künstler behauptet laut, dass habe er zu entscheiden. Die Klasse wirkt noch immer auffallend homogen aufgrund der unwidersprüchlichen Anweisungen diverser Weisungsbefugter. Weiterhin wird gefragt, ob die Papierflieger nach der Schule mit nach Hause genommen werden dürften, diese zuvor bemalt werden und aus dem Klassenfenster geworfen werden könnten, selbstverständlich nur, um deren Flugfähigkeit zu testen. Die Vorschläge der 6- und 7-jährigen Schüler werden von Frau A. und Frau J. freudig begrüßt, um vom Künstler freundlich bestimmt abgelehnt zu werden. Die Papierflieger seien ausschließlich für den Künstler gedacht. Schließlich sei dieser der Ideengeber. Die Kinder führen aufmerksam unruhig die einzelnen Faltungen aus, Assistent Benni hat so seine Schwierigkeiten mit dem widerspenstigen Material und dem kompromisslosen Knicken. Damit die Konzentration in der Klasse in dieser Güte aufrecht erhalten werden kann, wird der Klassenraum sicherheitshalber gesichert. Die Frage von Ahmed, ob er mal auf die Toilette dürfe, verfliegt.

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Nachdem die Papierflieger viel zu schnell gefaltet sind, beginnt Sebir, ihren Papierflieger mit den Worten: „Meiner fliegt nur, wenn ein paar Menschen im Flugzeug sitzen!“ mit menschlichen Figuren zu bemalen, zeigt ihn erfreut in die Höhe, worauf die gesamte Klasse Buntstifte zückt und die Ansage des Künstlers, das jetzt ein großer Papierflieger gefaltet werde, ignorierend, beginnt, die Papierflieger zu bekritzeln.

Assistent Benni arbeitet sich weiterhin am hochkomplexen Faltschritt der sogenannten „Wasserbombenfaltung“ des Modells „Simple Plane“ ab. Einige Schüler packen ihre Pausenbrote aus, um sie dem Künstler anzubieten. Dieser nimmt dankend ab. Zum Glück unterbricht der Pausengong die chaotische Ruhe in der Klasse.

10.05 Uhr
Nach dem Genuss der Kaffeepausenplörre im Lehrerzimmer finden sich alle Kinder gegen Geheiß des Künstlers fast in der Klasse ein, um auf dem Flur selbständig einen Weitflugwettbewerb ihrer zuvor gefalteten Flieger zu veranstalten. Medikes Flieger gewinnt. Alle anderen sind enttäuscht und zweifeln laut am Sinn der Unterrichtung im Papierflieger falten. Medike fragt, ob sie als Hauptgewinn jetzt endlich nach Hause fliegen darf und wird in den Klassenschrank gestellt, ihr Papierflieger fliegt selbständig und mit einer wundersamen Leichtigkeit gegen die Ausstellungsvitrine der Aula. Seine dadurch verknickte Nase kann nur schwerlich wieder gerade geboten werden, genau wie Medike.

10.12 Uhr
Die Schüler werden von Frau A. und Frau J. in zwei Gruppen geteilt, um vom Künstler unmittelbar danach wiedervereint zu werden, um danach vom Künstler erneut in dieselben Gruppen eingeteilt zu werden. Ahmed schimpft über Schikanierung von Minderjährigen, Medike möchte aus dem Klassenschrank befreit werden, um Teil der Gruppe zwei zu sein. Danach werden jeweils zwei Schüler von Frau A. und Frau J. zu den jeweiligen Gruppenleitern und deren Stellvertretern ernannt, vom Künstler unmittelbar danach wieder entlassen, um dann erneut vom Künstler zu den Leitern der Gruppe und deren Stellvertretern ernannt zu werden.

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In Windeseile und ohne angemessene Zwischenfälle sind dann zwei riesige Papierflieger gefaltet, bemalt und in Flugbereitschaft gebracht, genau wie der Künstler, der auf Geheiß von Mohammad vorübergehend und sicherheitshalber aus dem jetzt unverriegelten Klassenraum fliegt, um „ein Gelingen des Projekts BlindflugBorsig11 nicht zu gefährden“, so seine zu ausführlichen Ausführungen.

BlindflugBorsig11_13Als der Künstler sich endlich erholt wieder dem Schulgelände nähert, sieht er die inzwischen mit ausreichend zivilem Ungehorsam ausgestatteten Grundschüler, seine mühsam und zugegebenermaßen mit etlicher praktischer Hilfe der Schüler konstruierten Riesenpapierflieger von den Schülern auf die Rutsche kletternd von dort oben herabstürzen.BlindflugBorsig11_14

 

Der erstaunliche Flug einschließlich Looping des zweiten Riesenpapierfliegers versorgt den Künstler noch mit ausreichendem Tatendrang zum Schreiben dieses Berichtes, der aber in diesem Moment nachlässt.

Den Rest müssen die Bilder erzählen, ich muss mich jetzt erholen von den Ereignissen in der Klasse 1C der Oesterholz-Grundschule in der Dortmunder Nordstadt am 12.01.2015 …

BlindflugBorsig11_15_Mosaikeffekt

Der heutige Anruf von Medike sei noch kurz erwähnt, die sich jetzt zuhause in der Türkei befindet …

Fotos: Frank Bölter

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