Kauri #00 am Bonner Rheinufer. Foto: Ruth Gilberger.

Making of KAURI

am 30. November 2022 | in Allgemein, Resonanzen, Wagnisse des Neuen | von , UND | mit Ein Kommentar

Rheydt, 2020 – Greifswald, 2021 – Pirmasens, 2022: Mit Ende des Jahres findet auch das dreijährige Projekt „Resonanzen on Tour“ seinen Abschluss. Das mobile und partizipative Projekt entwickelte sich über den gesamten Zeitraum kontinuierlich weiter und sammelte vielfältige Resonanzen vor Ort. Zentrales Objekt der Auseinandersetzungen war „Kauri“, die über die Jahre letztlich Vieles war/wurde: Skulptur, künstlerisches Prinzip sowie Ort für Resonanz, Begegnung und spontane Intervention. Nach Herstellung der ersten „Kauri-Skulpturen“ von Künstlerin und Impulsgeberin Nicola Schudy war das Projekt „Resonanzen“ letztlich auch eine spannende Phase der gemeinsamen Weiterentwicklung von „Kauri“ als künstlerisches Prinzip und des partizipativen Arbeitens im öffentlichen Raum. Im Folgenden blicken wir zurück auf die Geschichte von „Kauri“ und eine fast vierjährige Zusammenarbeit mit Nicola Schudy.

Im Jahr 2019 lud die Montag Stiftung Kunst und Gesellschaft die Künstlerin Nicola Schudy zu einer künstlerischen Recherche hinsichtlich der bevorstehenden Entwicklung einer mobilen und resonanzfähigen Skulptur im öffentlichen Raum ein. Die Grundidee war es, dass im Rahmen des dreijährigen Projektes „Resonanzen on Tour“ ein Objekt die operativen Stiftungsaktivitäten an verschiedenen Standorten in Deutschland begleiten sollte, welches sowohl Resonanzen senden wie auch empfangen konnte. Im besten Fall sollte es sensibel und fragil genug sein, einen Raum für Menschen vor Ort zu eröffnen, der zum Mitgestalten und aktiv werden anregt. Zudem sollte dieses Objekt mobil und ortsspezifisch einsetzbar sein, ohne seine Qualitäten als Skulptur einbüßen zu müssen…

 

Die Künstlerin Nicola Schudy und Kauri #01 auf dem Pirmasenser Schlossplatz im Juni 2022. Foto: Theresa Herzog.

Nicola Schudy ist eine bildende Künstlerin aus Köln, die aktuell in Bonn mit dem Leo-Breuer-Förderpreis ausgezeichnet wurde. Ihre Ausstellung ist noch bis zum 15. Januar 2023 in der Bonner Gesellschaft für aktuelle Kunst zu sehen. Bei ihren installativen, plastischen Arbeiten, häufig auch im öffentlichen Raum realisiert, geht sie von den spezifischen Qualitäten des jeweiligen Raumes aus und entwickelt daraus nach ihrer Aussage „eine eigene Erzählung, in der wir selbst mögliche Protagonisten sind.“

Dem Thema des mehrjährig angelegten Stiftungsprojektes „Resonanzen“ verschuldet erfolgte die Einladung zur Entwicklung einer temporären „Kurmuschel“ aus einer zufällig eruierten gemeinsamen skulpturalen Leidenschaft für Kioske und Kurmuscheln. Dem voraus ging eine erste Arbeitsbeziehung durch ihre minimalistische wie ansprechende skulpturale und innenarchitektonische Entwicklung eines „Kommunikationscontainers“ für ein Projekt der Stiftung mit dem Photobookmuseum Köln. Hier zeigte sich, wie wichtig und impulsgebend  solch ungewöhnliche „dritte Orte“ sind für Kommunikation, Austausch und gemeinsames Handeln.

 

Kurmuschel in Dahn im Pfälzer Wald. Dem dreijährigen Projekt voraus ging eine künstlerische Recherche, u.a. zur Idee der Kurmuschel. Foto: Ruth Gilberger.

Kommunikations-Container der Montag Stiftung Kunst und Gesellschaft in Kooperation mit dem Photobook-museum Köln gestaltet von Nicola Schudy. Duisburg, 2017. Foto: Ruth Gilberger.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

In den Vorüberlegungen zu der Entwicklung des skulpturalen Projektanteils mit Nicola Schudy stellten sich theoretische Fragen, die wir nur im Laufe des gemeinsamen praktischen Prozesses für dieses Projekt, und dann auch nicht abschließend bearbeiten konnten:

  • Was passiert, wenn eine großteils autonom arbeitende Künstlerin zur Protagonistin eines partizipativen Projektes wird, das mehrjährig prozessorientiert und ergebnisoffen sein soll?
  • Wie passt dies mit der Idee eines skulpturalen Werkes zusammen?
  • Wie verändert sich der Gedanke der Autonomie und der Autorenschaft, wenn schon der Entwicklungsprozess partizipativ gedacht wird?
  • Ist die temporäre Skulptur als Dienstleistung oder als Werk zu sehen?
  • Wer trägt die Verantwortung sowohl künstlerisch wie praktisch für die skulpturalen Setzungen im öffentlichen Raum?

Es erforderte Mut und Vertrauen, um sich in einen solchen Arbeitsprozess zu begeben, ihn auszuhalten, mit Rückschlägen und Widrigkeiten konstruktiv umzugehen. Es galt auch, immer wieder die vielfältigen Relationen zwischen den Akteur*innen im Blick zu behalten, denn es waren viele Menschen an jener Projektentwicklung beteiligt, die zwar in sich ergebnisoffen und prozessorientiert sein sollte, dennoch das Produkt bzw. Werk der Resonanzskulptur hervorbringen musste.

Unter den besonderen Bedingungen von Covid in den Jahren 2020-2022 erwies sich die Idee von Nicola Schudy jedoch immer wieder in ihrer Fragilität, ihrer Sprödheit, ihrer Materialsprache und ihrer „Fremdheit“ als erstaunlich resistent und resilient. Die partizipative Herstellung des Geflechtes, die eher zufälligerweise sich als „corona-konform par excellence“ erwies und das spätere gemeinsame Aufbauen des Gerüstes waren ein willkommener Anlass für die unterschiedlichsten Menschen, die darüber ins Gespräch kamen.

Heute können wir feststellen: Die „Kauri“ genannten Resonanzkörper/-skulpturen verändern den Ort, indem sie temporärer Standort werden. Die Menschen, die durch körperliches Mitgestalten die Entstehung der Kauris miterlebt haben, konnten sich dadurch auch als Protagonist*innen erfahren, die durch Handeln und gemeinsames Gestalten zumindest für eine Weile „jenseits des Alltags“ eigene künstlerische Erfahrungen gemacht haben. Wir werden im kommenden Jahr aufbauend auf den gesammelten Resonanzen der letzten Jahre weiterarbeiten und verfolgen weiter, was für Resonanzen ausgelöst und aufgenommen wurden und wozu sie noch führen werden.

Um noch einmal tiefer in den Entstehungsprozess einzutauchen – nachfolgend eine persönliche Resonanz von Nicola Schudy an unser Team, ohne das dieses Projekt nicht hätte realisiert werden können: Wir teilen gerne!

 

Das Team der Pirmasenser Resonanzen im Monat Juni während des Baus der kleinen Kauri-Skulpturen im Pirmasenser Stadtraum (v.l.n.r.) Nicola Schudy, Sonja Tucinskij, Claudia Thümler, Theresa Herzog, Ruth Gilberger. Foto: Montag Stiftung Kunst und Gesellschaft.

 

„Jetzt sind 3 Jahre vergangen in denen wir intensiv gemeinsam an Kauri entwickelt und gearbeitet haben und ich möchte mich ganz herzlich bei euch/Ihnen bedanken, für die tolle Erfahrung und diese intensive und nachhaltige praktische und partizipative Künstlerinnenförderung, die ich dadurch erfahren habe.

Begonnen hat das Projekt ja im Oktober 2019 mit der Einladung zu einem „thinktank“ in Mönchengladbach Rheydt, bei dem unter dem Überbegriff „Kurmuschel“ Ideen für einen mobilen Resonanz-Raum gesucht wurden.

Als daraus folgende Idee habe ich die Material-Idee eines Hartfaser-Geflechtes vorgeschlagen, mit der vagen Vorstellung, dass es für modulares architektonisches Bauen, geeignet sein könnte. Für den Innenraum habe ich daraus schon Installationen gestaltet.

 

Damit begann die Entwicklung und Reise von der Resonanzskulptur, die später „Kauri“ genannt wurde,  in einem dreijährigen/drei- Sommer währenden Prozess:

 

Ansichten des ersten Modells und der ersten raufgreifenden Modelle des Prinzip „Kauri“ im Atelier von Nicola Schudy und im Atelier in den Clouth-Werken in Köln, 2020. Fotos: Ruth Gilberger.

Ginger Lemon (v.l.n.r. Peter Torringen, Axel Schweppe, Thilo Schölpen) bei ihrem ersten Konzert in der Kauri in den Clouth-Werken in Köln. Foto: Ruth Gilberger.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Nach zwei Monaten Materialentwicklung und Formfindung entstanden vier Prototypen im Innenraum später der Clouthwerke Köln – bei der wir trotz der gerade beginnenden Corona Pandemie unter strengem Schutz weiter arbeiten durften! – ein heimliches Ginger-Lemon Konzert in der ersten gemeinschaftlich gebauten Kauri war der Abschluss der indoor-Erprobungsphase. Ihm folgte der erste Standort der „Rheydter Resonanzen“  mit dem Umzug in das Ladenlokal in Rheydt im Sommer 2020 und dann der Stresstest samt Sturm im Außenraum: Die erste Kauri im Maria-Lenssen-Garten mit Teilnehmer*innen gebaut, die dann für ca. zwei Wochen von euch für unterschiedliche Workshops, Konzert und Aktionen  genutzt wurde.

 

Kauri im Maria-Lenssen-Garten in Rheydt im Sommer 2020. Foto: Claudia Thümler.

Magnus Brühl, Clemens Paschke und Farhad Shikhhmada gaben nach Fertigstellung der Kauri ein spontanes Konzert mit analogen und digitalen musikalischen Einlagen. Foto: Ruth Gilberger.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

2021 erfolgte im Rahmen der „Greifswalder Resonanzen“ und dem dazugehörigen Resonanzcamp mit Studierenden der Bau einer Kauri in der Plattensiedlung Schönwalde, wo sie ungewöhnlich mit der umgebenden Architektur kommunizierte und dort für vier Wochen Raum bot für künstlerische Workshops, Konzerte, geistliche Veranstaltungen oder einfach als Raum für Kommunikation. Hier wurden die auf Kauri-Latten gestempelten Resonanzen auf einer großen Walskulptur im Dom im Laufe des Projekts in die Innenseite der Kauri integriert.

 

Was ist Kauri in Schönwalde? Kauri auf der Chemnitzer Wende im Stadtteil Schönwalde I in Greifswald im Sommer 2021. Foto: Theresa Herzog.

Verwebte Latten in Kauri. Im Dom St. Nikolai stempelten Menschen ihre Antworten auf die Frage „Was macht der Wal im Dom?“ auf Latten und verwebten sie in Kauri. Foto: Theresa Herzog.

 

Jetzt im dritten Sommer haben wir in Pirmasens im Rahmen der „Pirmasenser Resonanzen“ das realisiert, was wir zu Beginn schon eigentlich wollten – kleine mobile „Kauri-Satelliten“, die mit einem minimalen Gerüst flexibel an die vorhandene Architektur andocken und im Stadtbild sichtbar werden. Die weißen Pflasterstein-Ornamente, die die Fußgängerzone durchziehen, sind dabei eine tolle visuelle Korrespondenz.

Mein Abschluss in meiner Verantwortung als impulsgebende Künstlerin in diesem Jahr war das Resonanzcamp mit Kunststudierenden, bei dem wir gemeinsam drei der insgesamt acht schattenspendenden Kauri-Satelliten gebaut und uns damit den Stadtraum erobert haben!

 

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Es war ein großes Geschenk, das Projekt über so lange Zeit entwickeln und so weit treiben zu können. Wir waren in einem langandauernden Prozess miteinander: Experimentieren, diskutieren, Erfahrungen sammeln – denken – umdenken – weiterarbeiten – um der vagen Anfangsidee Idee ein, bzw. viele Formen zu geben. Entstanden ist ein variabler, flexibler, nachhaltiger und kostengünstiger „Bausatz für temporäre Skulpturen“, der wie oben beschrieben drei Jahre auf Reisen gehen, sich anpassen und verändern durfte.

Alleine wäre das nie möglich gewesen.

Liebe Ruth, Claudia, Theresa und Sonja – Ich bin beeindruckt von eurem immer offenen und wertschätzenden Umgang mit all den unterschiedlichen Menschen an den vielen Stationen des Projektes. Wie ihr auf sie zugeht und ihnen die Situation, den Ort und die Kunst durch eure Art und Hingabe öffnet und die Idee von Kunst und Partizipation zum Leben erweckt.

Vielen Dank für all diese Erfahrungen, die ich mit dem Projekt machen durfte!“

 

PS: Und still to do: 1 Kauri als Wasserfall am Schlossbrunnen in Pirmasens

Collage der Künstlerin Nicola Schudy: Vision/Visualisierung einer Kauri am/im Brunnen am Schlossplatz in Pirmasens. Foto: Nicola Schudy.

 

1 Antworten zu Making of KAURI

  1. Kiana sagt:

    So etwas sieht man nicht alle Tage;)

    LG

    Kiana

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