Wallandung im Greifswalder Dom.Wallandung im Greifswalder Dom. Foto: Theresa Herzog

Post aus dem hohen Norden: Ein Rückblick auf Wal und Weben

am 28. September 2021 | in Allgemein, Resonanzen, Wagnisse des Neuen | von UND | mit 0 Kommentaren

Die zwei Aktionsorte Wal/Dom und Kauri/Schönwalde waren die beiden Pole der #greifsWALderresonanzen. Doch: Was macht der Wal im Dom? Und was ist Kauri in Schönwalde? Die Studierende Johanna arbeitete mit uns am Projekt und an der gemeinsamen Suche nach Antworten. Sie lässt den Einzug von Gil Shachars Walskulptur und die Tage des Aufbaus von Nicola Schudys Skulptur Kauri nun noch einmal Revue passieren.

 

Projektplakat 1. Quelle: Montag Stiftung Kunst und Gesellschaft

Projektplakat 2. Quelle: Montag Stiftung Kunst und Gesellschaft

Ich werde von einer Freundin angeheuert: Der Wal muss gemeinsam bewegt und die Kaurimuschel gemeinsam gewoben werden, da können sie noch ein paar schaffende Hände gebrauchen. Ich studiere in Greifswald Landschaftsökologie und Naturschutz, wo man die Kunst erstmal nicht verorten würde; doch ich denke, der Sinn für das Künstlerische wohnt in jedem von uns. Also klar, ich bin dabei!

Ich selbst komme aus Köln und lebe seit nun über sieben Jahren in Greifswald. Und da springt mein Herz, eine Stiftung aus meinem heimatlichen Rheinland will hier an der Ostsee ein Kunstprojekt starten. Auch für mich ist das eine tolle Gelegenheit, Greifswald nochmal von einem anderen Blickwinkel zu sehen. Das Miteinander mit den Wirkenden der Montag Stiftung Kunst und Gesellschaft ist gleich locker und herzlich, wie ich es von den Rheinländern kenne.

Mit mindestens 15 Leuten hieven wir den Wal in fünf  Teilen aus dem LKW, rangieren ihn durch die Tore und Türen des Greifswalder Doms.

 

Strukturen von Wal und Dom: Die Haut des gestrandeten Wals ist gezeichnet – so wie der hunderte Jahre alte Steinboden des alten Gemäuers. Foto: Theresa Herzog

Snapshots vom Waltransport Ende Juli 2021 in Greifswald. Fotos: Theresa Herzog

 

 

Die Ausmaße eines echten Buckelwals so direkt vor und um sich zu haben, ist beeindruckend. Wir arrangieren die Einzelteile nach Anleitung des Künstlers Gil Shachar von A nach B und dann doch nach C und vielleicht ein letztes Mal noch nach B… In dem großen Kirchenschiff haben wir, was die Position des Wals angeht, die Qual der Wahl und doch werden wir begrenzt zwischen den gegenüberliegenden Altaren und durch die Säulen, die das Mittelschiff säumen.

Doch endlich…so liegt er perfekt, jetzt wirkt er, wie von der Ostsee direkt hier in den Dom quer ins Mittelschiff hineingespült, mit der Schwanzflosse noch im Gang, durch den er gekommen ist. Dramatisch und demütig liegt er da. Die dramaturgische und künstlerische Wirkung der Position und die Sicherheit auf den Seitengängen müssen jedoch gegeneinander abgewogen werden und so ändern wir ein letztes Mal die Position.

 

Viele Helfer*innen sind nötig, um die Teile des Wals von Künstler Gil Shachar durch die Tore und zwischen den Säulen des Doms zu hieven. Foto: Theresa Herzog

Kurze Pause einiger helfenden Hände, und/oder/auch: Die Walskulptur in seinem natürlich Habitat. Foto: Theresa Herzog

So wird er die nächsten vier Wochen in dieser Kirche liegen bleiben; nicht nur zu Zeiten der Ausstellung #greifsWALderresonanzen, sondern auch während Konzerten, den Mittagsandachten und den Gottesdiensten. So wird der Wal von vielen Besuchern unweigerlich bestaunt. Nicht jeder ist von dem Anblick angetan, wie wir später im Gespräch an der Kauri-Muschel erfahren; es sei eine Zumutung, grausam und traurig, wie er da so tot liegt. Man käme doch zum Gottesdienst, um sich zu erfreuen und für das Gute stark zu machen und dann müsse man während der Predigt, während des Orgelspiels, ständig auf dieses Elend schauen!

 

Von A nach C zurück zu Position B. Bevor der Wal seine finale Landeposition erreicht, werden die Einzelteile ein paar Mal hin- und hergeschoben, um wirklich sehen zu können, wie er sich am passendsten in das Mittelschiff des Greifswalder Doms St. Nikolai einfügt. Foto: Theresa Herzog

Wir freuen uns, genau auf diese Weise mit den Menschen ins Gespräch zu kommen. Was auch immer der Künstler selbst sich gedacht hat, auf Jeden und Jede wirkt es anders und jede Person muss für sich schauen „Wie lässt es mich fühlen und was mache ich daraus?“.

An vier aufeinanderfolgenden Nachmittagen helfe ich an einer weiteren Station des Kunstprojekts – der Kauri-Muschel; mitten auf einer Wiese im Plattenbau-Wohngebiet Schönwalde. Wir weben und weben und weben… nein, kein Leichentuch. Wir weben lockere und doch starke Matten aus langen Latten, die wir dann über ein Alugerüst legen, stellen, biegen und drehen, sodass Stück für Stück ein räumliches Gefühl entsteht.

 

Wir weben und weben und weben und weben.. Foto: Dirk Lehmann 

Schon in meinen Träumen webe ich jede Latte einzeln in das Gebilde, um ihr den perfekten Platz zu geben und die gewünschte Wölbung zu erhalten. Und wie wir so weben, kommen Passanten und fragen verwundert, was wir denn da machen. Die Antwort endet natürlich im gemeinsamen Weben, ob alt ob jung, ob im Klassenverband oder allein. Und auf die Frage „Was denn der Wal im Dom macht?!“, hat jede/r seine eigene Antwort gefunden, sie auf eine Latte gestempelt und sie nun hier in die Kauri-Muschel verwoben.

 

Arbeit an Kauris Form: Die einzeln gewebten Matten finden nach und nach ihren Platz im Gesamtgeflecht der Skulptur. Foto: Dirk Lehmann

Das Highlight der Station, vor allem für Kinder, ist sicherlich Birdy, ein blauer sprechender Vogel, der auch den Schüchternsten ein paar Worte entlockt, sie zum Lachen bringt und uns hilft, mit den Leuten ins Gespräch zu kommen. Allein damit hat die Montag Stiftung Kunst und Gesellschaft ihr Ziel erreicht: Im Austausch sein über Kunst, sich trauen, unterschiedlicher Ansichten zu sein, doch immer einen gemeinsamen Nenner zu finden und festzustellen, wie schön es ist, einfach etwas zu machen und einander zu begegnen.

 

Die Skulptur Birdy von Till Nachtmann und Stefan Silies. Foto: Dirk Lehmann

Liebe Montag Stiftung Kunst und Gesellschaft, ich danke euch für die schönen Tage und das gemeinsame Wirken!

Eure Johanna

 

Birdy im Gespräch. Foto: Dirk Lehmann

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