Am 3. und 4.2.2018 fand die 2. Auflage der „Eintagsfliege“ im bunker k101 in Köln-Ehrenfeld statt. Das junge Kunstkollektiv organisiert Pop-up-Ausstellungen in Köln. Dabei stehen kollektive Prozesse im Vordergrund, sowohl bei der Konzeption der Veranstalter_innen, die das Format gemeinschaftlich organisiert, als auch bei der Kommunikation mit den Besucher_innen. So werden die extravaganten Locations nicht nur mit Kunst bespielt, sondern auch zu niederschwelligen Begegnungsorten für ein breites Publikum.
Eintagsfliegen leben meist nur ein bis vier Tage, manche nur wenige Minuten, keine länger als eine Woche. Entsprechend ihrer Namensgeberin fand die Ausstellung des Kunstkollektivs Eintagsfliege nur für zwei Tage statt. Diese Tiere hinterlassen wenig individuellen Eindruck in unserer menschlichen Wahrnehmung. Diese Eigenschaften hat das teilweise von Studierenden initiierte Ausstellungsprojekt aber auf jeden Fall nicht mit ihrer Namensvetterin gemein – es gab an diesem Wochenende einiges im Bunker in Köln-Ehrenfeld zu sehen, was die Wahrnehmung der Besuchenden sicherlich nachträglich anregt.
Thema und Ort bedingen einander
Das Bunker Museum k101 in der Körnerstraße in Ehrenfeld ist ein geschichtsträchtiger Ort. 1942/43 wurde hier ein Luftschutzbunker unmittelbar neben einer zerstörten Synagoge errichtet. Seit Jahren dient dieser Bunker als Erinnerungsort und Raum für Kunst und Kultur – an diesem Wochenende für die Ausstellung der Eintagsfliege. Kalt und rau fühlte sich der Eintritt in diese Räumlichkeiten an, so gar nicht museal. Zur historischen und fast unheimlichen Atmosphäre passte das Thema der Ausstellung: Dystopie, Utopie, System und Chaos. All diese Zustände haben die Gemäuer des Bunkers wohl schon durchlebt und von diesen haben sich die Kunstschaffenden auch zu ihren Werken inspirieren lassen: „Bei der Begehung des Bunkers sind wir auf unser Thema gestoßen. Die Kunstwerke wurden von den Künstlern danach erstellt und unserem Thema entsprechend entwickelt“, erklärt Lina Weber, Mitglied des Kollektivs, neben Karen Druebert, Lisa James, Jakob Sponholz und Sebastian Wenzgol.
So entstanden über 15 Arbeiten bildender und darstellender Kunst von Balduin Allroggen, Henning Beckschulte, Julia Maja Funke, Yumi Furuno & Anna Sprenger, Stefan Heithorst, Lisa James, Nikolas Klemme, Natalie Kozlowski, Marielle Massmann, Maximilian Mehl, Mixomania, Thomas Neumann, Jakob Sponholz, Lina Weber und Sebastian Wenzgol.
Werke zwischen online und offline
Unter den Kunstwerken befanden sich Malereien, Fotografien, Raum- und Soundinstallationen sowie Live-Performances. Inhaltlich zeigten die Arbeiten verschiedenste Auseinandersetzungen mit dem Ausstellungsthema, die meisten schwirrten irgendwo zwischen dem Hier und Jetzt und dunklen Zukunftsvisionen. Oft traf man auf Auseinandersetzungen mit aktuellen Phänomenen, bei der sich selbst ohne jegliche Visionskraft bereits die Zukunft ankündigt. So setzte sich Lina Weber in ihrer Arbeit „o.T.“ mit Facebook-Algorithmen auseinander und untersuchte, inwiefern von ihr geschriebene Beiträge von diesen Algorithmen vorsortiert werden und für welchen Content es die meisten „Likes“, den meisten Zuspruch gibt. Diese „Likes“ standen dabei oft im Widerspruch zu Beiträgen, die ihr eigentlich wichtig waren. Wonach entscheidet sich also welcher Inhalt geteilt wird und wer ihn gut findet?
Die virtuelle Sphäre spielte eine große Rolle bei einigen Exponaten, so auch bei Stefan Heithorsts Videoarbeit „Die Reise ans Ende der Räumlichkeit“, in welcher er bei Google Earth Pro mit einem Spaziergang durch die Grenzen des Erfassbaren die Vermischung von Virtualität und Realität auslotet. Die Eintagsfliege bezog sich hier inhaltlich stark auf die Post-Internet-Art, für die Realitäten des online und offline ineinanderfließen. Virtualität und Realität überlagern sich dabei und Skulpturen können zum Beispiel sowohl aus Gips als auch durch den 3D-Drucker entstehen. Haptik und Optik können verschmelzen. Dass dies ganz wunderbar auch ästhetisch funktioniert, zeigte sich zum Beispiel dort, wo Marielle Massmanns Pappröhren-Installation fast in den virtuellen Spaziergang von Stefan Heithorst hineinfloss und eine in der ursprünglichen Konzeption zunächst ungeplante Gemeinschaftsarbeit bildete.
Den Künstler_innen gefiel gerade dieses Ineinanderfließen. Es ging ihnen nicht um die Furcht vor dem Bedeutungsverlust des eigenen, ehrwürdigen Werkes: Zusammenspiel und Verschmelzung standen stattdessen im Fokus.
Eher offline ging es beispielsweise bei Natalie Kozlowskis „Übergabe“ zu. In dieser Rauminstallation mit warmem Licht und 282 Schlüsseln, die über weichen Kissen hingen, ließ es sich träumen über all jene verschiedenen Welten, die diese Schlüssel einst öffnen konnten. Träume über vergessene Räume und Zugänge oder noch zu erschließende Möglichkeiten. Hier zeigte sich eine weitere Qualität der Ausstellung. Denn oft blieb es den Betrachtenden überlassen, was utopisch oder dystopisch war, was sich ins System fügt und was Chaos anrichtet. Die Arbeiten waren nicht eindeutig zuzuordnen, erlaubten sich keine moralische Beurteilung. Sie zeigten Möglichkeitsräume auf.
Die Prinzipien des Kollektivs
Das Kollektiv der Eintagsfliege besteht aus einem jungen Team von Künstler_innen das bereits zum zweiten Mal eine Ausstellung in Köln organisiert. Die Zusammensetzung des Teams ist nicht statisch, So sind bei der zweiten Eintagsfliege bereits einige neue Gesichter dabei. Das Prinzip ist Wandel und Gemeinschaftlichkeit. Die Wirtschaftlichkeit steht hinten an. Das Kollektiv finanziert seine Projekte bisher hauptsächlich selbst und mit der Unterstützung vom Asta und der Studierendenvertretung der Universität zu Köln. Künstlerinnen und Künstler aus der Umgebung werden gezielt angesprochen, ob sie mit ausstellen möchten. Das Team entscheidet in Absprache mit den einzelnen Kunstschaffenden, wo die Werke in der Location platziert werden. Dabei werden unterschiedliche Optionen beziehungsweise Zusammenspiele der einzelnen Werke, wie bei Heithorst und Massman, diskutiert. „Bei uns macht auch einfach jeder, was er am besten kann. Da wird sich dann nicht um Aufgaben gestritten oder unliebsame Dinge werden weggeschoben. Die eine kann gute Texte für den Flyer schreiben, der andere macht eine gute Grafik für die Webseite und so weiter“, erklärt Jakob Sponholz, Mitglied der Eintagsfliege.
Die Ausstellungsreihe folgt dem Prinzip einer „Pop-up-Ausstellung“. Zeitnahe Infos bekommt, wer sich online beim Kollektiv registriert. Diese Flüchtigkeit soll klassische Ausstellungsprinzipien aufbrechen und verleiht dem Ganzen einen Eventcharakter. Dies gelang im Bunker besonders gut, da es ein fast festivalartiges Programm gab, bei dem neben dem klassischen Galeriebesuch auch Performances und Live-Musik, zum Beispiel des Musikers Jonas Vollmert und seinen Kommilitonen von der Musikhochschule Köln, im Fokus standen. Außerdem gab es bei dieser Auflage ein Kurzfilmprogramm, das durch die Gastkuratoren Florian Schmitz und Till Gombert organisiert wurde und Filme von Patrick Buhr, Lasse Katter, André Kirchner, Nathalie Macmahon, Jan Soldat und Lisa Zielke zeigte.
„Das hier ist so ziemlich das Gegenteil vom white cube“, sagte Lina Weber. Dem Kollektiv ist es wichtig, niederschwellige Orte zu finden, „off“-Orte statt Kunstorte, die für verschiedenste Menschen zugänglich und kostenlos sind. Dabei haben sie mit dem bunker101 einen passenden Ort gefunden, der in Köln-Ehrenfeld als Institution gilt und verschiedene Besuchende anzieht. Die erste Eintagsfliege „Edition Wald“ fand im Sommer 2017 im Campus-Garten der Universität zu Köln statt.
Kunst als Utopie?
Inhaltlich kann man den Geist ihrer Generation spüren: thematisch im internet state of mind voll verortet zwischen online und offline und trotzdem ganz unmittelbar präsent im historischen Bunker, der realer kaum sein könnte. Auch strukturell spürt man die Offenheit für Begegnungen und Möglichkeiten. „Für uns bleibt zum Thema Utopie letztendlich auch zu sagen, dass dieses Zusammenarbeiten in Form eines Kollektivs und wie wir hier alles organisieren, eigentlich unsere Utopie von Kunst ist, so wie sie sein sollte. Menschen arbeiten demokratisch zusammen, die einfach Lust auf die Sache haben“, fasst Jakob Sponholz zusammen.
So regt die Eintagsfliege zum Nachdenken über Kunstsysteme und gemeinschaftliches, partizipatives Arbeiten innerhalb dieser an. Diese Offenheit im System wird vom Team auch nach außen getragen und bietet somit den Raum für unterschiedliche Menschen. Alle Künstler_innen sind an den Ausstellungstagen anwesend, stehen für Fragen bei einem gemeinsamen Getränk zur Verfügung und bieten damit die direkte Möglichkeit, an ihrer Kunst teilzuhaben. Eben so ziemlich das Gegenteil von white cube und vielleicht eine Utopie für die Zukunft der Kunst.
Um die nächste Ausstellung des Kollektivs nicht zu verpassen, kann man sich auf der Webseite der Eintagsfliege registrieren lassen, um rechtzeitig alle Informationen zu erhalten.