Szenen am Rande einer Großstadt

am 05. Mai 2015 | in faktor kunst 2013, Public Residence: Die Chance | von | mit 0 Kommentaren

„Schau dir die mal an!“ „Völlig uncool!“ finden zwei Freundinnen und zeigen mit dem Finger auf ein Mädchen, das etwas abseits sitzt und liest. Die dritte Freundin ist sich da nicht ganz so sicher. Eigentlich findet sie das lesende Mädchen ganz nett. Aber wenn ihre Freundinnen das so sagen, spielt sie eben mit. Doch dann wird sie von ihren Freundinnen aufgefordert: „Sag ihr doch, dass du sie hässlich findest!“ Eine Eskalation ist vorprogrammiert.

Eine Szene aus dem Buch „Szenen am Rande einer Großstadt“ gespielt von Celine, Dessere, Vanessa und Selcan. Um welche Großstadt es wohl geht, frage ich Celine: „Das ist ja eigentlich egal. Das könnte überall passieren! Bei uns hier in der Dortmunder Nordstadt passiert so etwas oft. Auch bei uns auf dem Schulhof.“ Celine ist 16 Jahre alt und macht hier ihre ersten Schauspielerfahrungen. Sie darf das Mädchen spielen, das sich dann auf die Seite der ausgelachten Schülerin stellt. „Die Rollen wurden gemeinsam verteilt. Mit meiner Rolle bin ich sehr zufrieden.“

Die vier Schauspielerinnen sind Mitglieder der Theatergruppe an der Kielhorn Förderschule, die der Regisseur, Schauspieler und Theaterpädagoge Olek Witt seit November letzten Jahres anbietet. Elf Jugendliche im Altern von 14 – 16 Jahren spielen Szenen, die aus ihrem Alltag stammen könnten. Geschrieben wurde das Stück nicht von den Schülern selbst, ausgewählt und abgeändert allerdings schon, wie Celine mir berichtet: „Der Text ist von anderen Jugendlichen geschrieben worden. Olek hat ihn mitgebracht und uns vorgestellt. Wir haben uns dann für ihn entschieden, Szenen, die uns gefallen, ausgewählt und sie ein wenig geändert.“

Olek Witt führt im Rahmen von „Public Residence: Die Chance“ drei Theaterprojekte mit Kindern und Jugendlichen durch. Sein Ziel ist es den Teilnehmern zu zeigen, wie sie sich auf künstlerische und theatrale Art artikulieren können, um zukünftig mit einem anderen Selbstbewusstsein an die Öffentlichkeit heranzutreten. Leidenschaft für das Theaterspielen zu entfachen geht natürlich nicht von heute auf morgen. „Mir geht es in den Projekten um die soziale und kreative Entwicklung der Schüler. Dabei ist eine Kontinuität im Projektangebot äußerst wichtig. Nur wenn die Schüler regelmäßig die Möglichkeit bekommen, Theater zu spielen, können sie auch nachhaltige Erfahrungen aus dem Projekt mitnehmen“, erklärt Witt seine Herangehensweise.

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Foto: Guido Meincke

Und erste Erfolge lassen sich bereits verzeichnen. So fand am 27. Februar eine Aufführung statt, die für die Schüler ein großer Ansporn war. In nur zwei Monaten wurden Texte auswendig und spielen gelernt. Der Auftritt wurde mit großem Applaus der anwesenden Eltern, Freunde, Bekannte und Nachbarn belohnt. „Die Schüler haben das super hinbekommen!“, schwärmt die Lehrerin Birgit Bail, die das Projekt begleitet. „Für alle Jugendlichen ist es das erste Mal, dass sie Theater spielen! Da ist es klasse, wenn sie für ihre Leistung die Anerkennung ihrer Eltern und Freunde bekommen!“

Die Gruppe schmiedet bereits neue Pläne. Ein gemeinsamer Theaterbesuch ist geplant. Für das Kostüm könnten noch ein paar Besorgungen gemacht werden. Und wann die nächste Aufführung sein wird, erfahre ich auch: Voraussichtlich wird das Stück noch einmal am 30. Mai im Rahmen des Abschlussfestes von „Public Residence: Die Chance“ aufgeführt. Damit das Projekt auch im nächsten Schuljahr fortgesetzt werden kann, hat die Schule bereits gemeinsam mit Witt einen Antrag auf Förderung im Rahmen des NRW Landesprogramm Kultur und Schule gestellt.

Grafik und Foto: Guido Meincke

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