In der Brüdergasse 4 in Bonn verwandelt sich ein leerstehendes Ladenlokal in einen Begegnungsraum. Olivia Bodensiek, die unsere Stiftungsarbeit als studentische Mitarbeiterin bereichert, berichtet von Ihrem Besuch bei diesem Projekt in der Bonner Innenstadt. Hier stellen sich Fragen der Beziehung zwischen uns und unserem Umraum anhand der Gestaltung von Innenstädten: Wie wollen wir den Raum um uns nutzen? Wie können wir mit wachsendem Leerstand umgehen? Welche Visionen haben wir für die Stadt, in der wir leben? Wer gestaltet hier mit? Wie kann ein Ort der von Konsum geprägt ist, für alle sein?
Geht man in Bonn die Brüdergasse hinunter, so scheint alles wie immer. Auf beiden Seiten der schmalen Gasse erstrecken sich Geschäfte. Dennoch hat sich in der Brüdergasse etwas verändert. Direkt am Anfang fällt ein Lokal besonders auf. Es ist verziert durch bunte Schrift und Kritzeleien in den Fenstern und Wimpeln, die über dem Lokal hängen. Es ist viel bunter als die restlichen Geschäfte. Durch Neugier getrieben, betrete ich das Geschäft und befinde mich in einer Art Wohnzimmer. Es stehen ein Sofa, Stühle und Tische herum, es gibt Tee oder Kaffee und an den Wänden hängen Bilder, Postkarten und eine Installation an Plastiktüten. Als ich dann mit den Betreiberinnen des Raums ins Gespräch komme, verstehe ich erst den Sinn und Zweck dieses Raums.
Leerstand als Begegnungsraum ist ein Projekt, das von vier Studentinnen (Theresa, Rosa, Antonia und Hannah) in der Bonner Innenstadt geführt wird. Der zuvor leerstehende Raum soll eine Art Aufenthaltsraum sein in der Innenstadt und Begegnungen zwischen verschiedenen Menschen ermöglichen. Entstanden ist das Projekt durch den Wunsch, in der Innenstadt einen Ort zu haben, an dem man sich aufhalten und unterhalten kann, ohne direkt dafür Geld ausgeben zu müssen. Genau diesen Wunsch erfüllt das Projekt, jedoch mit einer kleinen Erweiterung. Im Raum finden ebenfalls Workshops statt, die ganz verschieden sind. Manche beschäftigen sich mit bildender Kunst, andere mit Musik oder auch Theater. Was alle Workshops gemeinsam haben ist allerdings, dass sie umsonst sind. Somit sind sie für alle Menschen zugänglich. Ich frage Theresa nach ihrem Lieblingsworkshop und sie erzählt mir mit strahlenden Augen von der offenen Probe des Kulturklüngel Orchesters. Bei dieser konnte man einfach zuhören. Sie freue sich ebenfalls auf das Stadtgespräch am 18.10., bei dem über die Zukunft der Bonner Innenstadt diskutiert werden soll. Man merkt also das Ladenlokal schafft Raum für Gespräche, die sonst wahrscheinlich niemals entstanden wären.
Im Gespräch mit Theresa erfahre ich viel über das Projekt. Sie erzählt mir von den Anfängen ihres Engagements. Letztes Jahr im November hatte sie ein anderes Projektformat, „zwei Menschen ein Gedicht“, durchgeführt und da ist ihr die Idee gekommen, solche Begegnungsformen in einem Ladenlokal stattfinden zu lassen. Seit März arbeiten die vier Studentinnen nun daran, diese Idee in die Realität umzusetzen. Dabei war vor allem die Finanzierung ein großes Problem. Da aber drei der vier Studentinnen an der Alanus Hochschule studieren, half vor allem der Alanus Förderverein finanziell.
Der Begegnungsraum soll vor allem einen neutralen Rahmen schaffen. Da ich selber aber Politik studiere, interessiert mich die politische Dimension des Begegnungsraums sehr. Obwohl der Raum an sich natürlich nicht parteipolitisch ist, ist das Konzept doch sehr von Pluralismus geprägt und somit auch demokratisch. Gerade weil den Bürger:innen hier eine Möglichkeit gegeben wird, ihre Innenstadt selber mitzugestalten und sie vor die Frage stellt „Wie wollen wir leben?“, ist der Raum nicht nur demokratisch als solcher, sondern regt ebenfalls zur Partizipation in der Demokratie an. Auch das Thema Resonanzen, dass sich über die letzten Jahre als roter Faden durch die Stiftungsarbeit gezogen hat, findet hier Anklang. Es ist interessant zu beobachten wie das Projekt Resonanzen schafft. Einerseits findet durch das Projekt der Wunsch nach mehr dieser Räume einen Platz in der Stadtpolitik, andererseits wird das Projekt nach seinem Ende ein kleines Loch in der Bonner Innenstadt hinterlassen. Viele der Besucher:innen des Raums kamen über den Zeitraum seines Bestehens immer wieder. Auch hier sieht man also wie das Projekt in den Menschen nachhallt. Dennoch muss auch festgehalten werden, dass das Projekt von vier Studentinnen mitten im Studium während ihrer Freizeit organisiert und geführt wurde. Eine Verstetigung des Projekts ist also hinsichtlich des Aufwands für die Beteiligten schwierig, aber nicht unmöglich.
Im November wird der Begegnungsraum auf jeden Fall erstmal weiterlaufen und ich kann es euch sehr ans Herz legen diesem einmal einen Besuch abzustatten. Das tagesaktuelle Programm findet ihr auf Instagram (@leerstand.als.begegnungsraum).