Foto: Stefanie Klingemann

Wagnisse des Neuen

am 18. Februar 2019 | in Allgemein, Wagnisse des Neuen | von | mit 2 Kommentaren

Eine Straße mitten in einer Stadt. Die Hauptstraße. Ladenlokale mit Schaufenstern und Vitrinen reihen sich aneinander. Sie haben eins gemein: die LEERE. Einst als Prachtstraße zum Fröhnen des täglichen Konsums geplant, löst sich hier und heute Nichts mehr davon ein. Hier war einmal, was nicht mehr ist. Jetzt ist die Hauptstraße ein Niemandsland, leerstehend, verwahrlost, farblos, vergessen, unbesetzt?

Wir kennen diese Straßen. Sie befinden sich überall. In Duisburg, Essen, Herne, Gelsenkirchen, … oder in Möchengladbach-Rheydt. Eine Straße, in der Zwischennutzungskonzepte aufeinander folgen, sich immer wieder neue Geschäfte etablieren möchten, dann scheitern und sich das Graue und Gescheiterte mehr und mehr in die Wahrnehmung des Passanten einschreibt – eine Einbahnstraße?

Foto: Stefanie Klingemann

Die Straße, die bei genauer Betrachtung unfassbar viele Möglichkeiten bietet und aus neuen Perspektiven facettenhaft zu schillern und funkeln beginnen kann: das Neuland, das einen künstlerisch diskursiven Raum eröffnen kann! Hier kann ein Freiraum für neue Sichtweisen und Ideen entstehen; ein bislang ungenutztes Terrain sichtbar werden. Das Unbekannte, Undenkbare, Unvorhersehbare kann entdeckt und ausprobiert werden – scheitern inbegriffen!

Foto: Ruth Gilberger

Wie wäre es, diesen Raum zu öffnen, gemeinsam Neues zu wagen, aufzubrechen ohne den Ausgang zu kennen? Wie wäre es, wenn der Leerstand zum diskursiven und künstlerischen Freiraum wird und die Leere zum Platzhalter der Fülle wird (Fülle als gemeinsame Gestaltung von kultureller Vielfalt im diskursiven prozessoffenen Umgang)?

Was passiert, wenn wir die ehemals marktwirtschaftlich etablierten Strukturen auflösen und neuen Raum für kulturelle Teilhabe schaffen?

Fragen, die die Grundlage für das neue Stiftungsthema „Wagnisse des Neuen“ sind, zu dem wir, die Montag Stiftung Kunst und Gesellschaft, von Frühling bis Herbst 2018 in Mönchengladbach-Rheydt KünstlerInnen und AnwohnerInnen einladen, gemeinsam Neuland zu betreten.

Vom Umbruch zum Aufbruch in unbekannte Dimensionen

Unsere Erfahrungen aus den Projekten der letzten drei Jahre des Themenbereichs „Perspektive Umbruch“ zeigten, dass das Thema quasi „von der Realität“ eingeholt wurde und für viele Menschen sichtbar, auch für jene, die nicht in unseren Projekten „Welt im Umbruch“ und „Landschaffen“ teilgenommen haben. Das Bewusstsein von gravierenden gesellschaftlichen Umbrüchen ist in der Gesellschaft präsent und wird in Ausstellungen und Symposien reflektiert.

Foto: Teresa Grünhage

Bei Befragungen, in Workshops und in zahlreichen Gesprächen mit den unterschiedlichsten Teilnehmenden dieser Projekte artikulierte sich wiederholt der Wunsch, den augenscheinlich und vornehmlich negativ oder bedrohlich wahrgenommen Auswirkungen von Umbrüchen etwas Zukunftsweisendes anzuschließen: vom Umbruch zum Aufbruch.

„Wagnisse des Neuen“ ist die Basis für persönliche, kulturelle und gesellschaftliche Veränderungen, die auf eine Verbesserung des Bestehenden oder des Alten zielen. Mut (Courage), Kühnheit und die Bereitschaft des sich Einlassens auf Veränderungen können Gesellschaft so positiv gestalten und sind gleichzeitig Grundvoraussetzung für die Anerkennung von Transformationen und deren (positiv wirkende) Umdeutung.

Die Projekte der Montag Stiftung Kunst und Gesellschaft werden sich diesem thematischen Themenbereich „Wagnisse des Neuen“ in den nächsten drei Jahren widmen und fangen mit Abschluss der beiden Praxisprojekte „Welt im Umbruch“ und „Landschaffen“ an, indem sie zumindest ungewohnte Wege der Dokumen­tation beschreiten: ein multiperpektivischer Fotobuch-Reader über das mobile Fotobuchprojekt, der gleichzeitig auch ein Handbuch für gelungene Teilhabestrategien für künstlerische Projekte ist – Neuland zumindest für den Bereich des künstlerischen Fotobuches. Das Landschaffen-Projekt findet einen eigenen Erzählstrang in einer „digitalen Skulptur“ wieder, deren Inhalt sich aus den prozessorientierten Geschichten der „Erfindung einer eigenen inneren oder äußeren Landschaft“ zusammensetzt und eine eigene Form für ein partizipatives Projekt findet jenseits der reinen Dokumentation des Miteinander Gestaltens.

Aus den Erkenntnissen des Landschaffen-Projekt in Rheydt und den Bedarfen der Teilnehmenden nach einem Anschlussprojekt entdecken wir freies Terrain: die Hauptstraße in Mönchengladbach- Rheydt, der ehemaligen Geschäftsstraße, die von Leerstand und Verwahrlosung geprägt ist, erinnert an Niemandsland. Unbesetzt, vergessen, verwahrlost.

Foto: Stefanie Klingemann

Neu sehen, neu begehen, neue besetzen, weiterdenken, weiter entwickeln hin zu einem „Neuland“.

Den Sommer über wird die MKG in Kooperation mit ortsansässigen KooperationspartnerInnen, Studierenden, Teilnehmenden aus vorangegangen Projekten etc. in Läden der Hauptstr. und im angrenzenden öffentlichen Raum mit verschiedenen künstlerischen Interventionen versuchen, die unterschiedlichen Akteure vor Ort zu vernetzen und zu unterstützen, den Leerstand als Freiraum für künstlerisches Gestalten zugänglich zu machen und die Menschen vor Ort so aktiv mit einzubinden, um Neues auch nachhaltig sichtbar zu machen.

Wirkliches und Mögliches

Dem sich in einer permanent ändernden Welt Zusammenhang von Möglichem und Wirklichem künstlerischen Ausdruck zu verleihen, um damit Teilhabe an einer Gestaltung von Gesellschaft einzulösen, in der die Wagnisse des Neuen einen kreativen Anteil an ihrer positiven Gestaltung haben, wird unsere Aufgabe sein.

Foto: Ruth Gilberger

2 Antworten zu Wagnisse des Neuen

  1. […] Blog der Montag Stiftung Kunst und Gesellschaft könnt Ihr noch mehr dazu nachlesen, schicke Bilder […]

  2. benjamin sagt:

    Da das Kuenstlerische die treibende Kraft der Innovation ist, halte ich das ganze fuer eine gute Idee, um ein bisschen Schwung in die Stadt zu bringen!
    Nach langjaehriger Erfahrung mit und als Erkrankter, der bis heute noch gerne selber denkt, moechte ich die – meiner Meinung nach – wichtigsten Faktoren fuer gelungene Aenderungsbereitschaft ergaenzen= Ehrlichkeit (zu sich selbst) + Diplomatie + Akzeptanz (die Faehigkeit, etwas neues annehmen zu koennen).

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