Foto: Anne-Katrin Bicher

Studierende stellen Ihre partizipatorischen Kunstprojekte vor

am 28. Januar 2016 | in Allgemein, Dialog und Teilhabe, Perspektive Armut | von | mit 0 Kommentaren

Zum zweiten Mal hatten die Montag Stiftung Kunst und Gesellschaft und die Alanus Hochschule für Kunst und Gesellschaft mit ihrer Ausschreibung „Perspektive Armut“ Studierende aufgefordert, künstlerische Projektideen zum Thema Armut einzureichen. Am vergangenen Samstag präsentierten die Gewinner ihre Projekte und beeindruckten durch die Vielfalt der Projektideen, die Kreativität der Ansätze und die Professionalität der Durchführung.

Nachdem 2014 drei Projekte von Stiftung und Hochschule gefördert und begleitet worden waren, wählte die Jury 2015 gleich fünf Projekte zur Umsetzung aus – auch weil es dreimal so viele Einreichungen gab wie im Vorjahr. Thomas Egelkamp, Professor an der Alanus Hochschule, und Ruth Gilberger, Vorständin der Montag Stiftung Kunst und Gesellschaft, führten in die Präsentationen ein und zeigten sich begeistert von den umgesetzten Projekten.

Die Initiatoren und Betreuer der Praxisprojekte: Thomas Egelkamp und Ruth Gilberger. Foto: Anne-Katrin Bicher

Die Initiatoren und Betreuer der Praxisprojekte: Thomas Egelkamp und Ruth Gilberger. Foto: Anne-Katrin Bicher

Die Studierenden haben gezeigt, wie man sich künstlerisch aus verschiedenen Perspektiven dem Thema Armut – in all seinen Facetten – nähern kann und Klischees aus dem Weg zu gehen. Das gemeinsame Arbeiten mit den unterschiedlichen Teilnehmenden fußte immer auf Freiwilligkeit, für die seitens der Künstler auch Überzeugungsarbeit geleistet werden muss. Dabei spielt der Dialog bereits vor der Projektumsetzung eine wichtige Rolle – mit den Kommilitonen, den Lehrenden, mit Institutionen, mit den potenziellen Teilnehmerinenn und Teilnehmern. Wie dann Kunst eine gemeinsame Sprache, ein gemeinsamer Weg in ganz unterschiedlichen Formen sein kann, zeigen die fünf ausgewählten Gewinnerprojekte „Perspektive Armut II“:

Drinnen trifft draußen

Diana Dauer und Teresa Herzog (v.l.n.r.) berichten von ihrem Projekt in der JVA Köln-Ossendorf. Foto: Anne-Katrin Bicher

Diana Dauer und Teresa Herzog (v.l.n.r.) berichten von ihrem Projekt in der JVA Köln-Ossendorf. Foto: Anne-Katrin Bicher

Theresa Herzog, Studentin im Fach Kunst-Pädagogik-Therapie, und Diana Dauer, Lehramts-Studentin an der Universität zu Köln, haben die Besucherzone der Justizvollzugsanstalt Köln-Ossendorf künstlerisch bearbeitet. Dadurch haben sie Insassen und Angehörige miteinander in einen Dialog gebracht.

Gleich der erste Ort, den ein Besucher in der JVA betritt, ist nicht sehr einladend. Das Wartehäuschen vor den Gefängnismauern erinnert ein wenig an eine große Bushaltestelle. Und ähnlich ungemütlich ist es dort auch. Statt abzuschrecken, soll das Häuschen nach dem Willen der beiden Studentinnen aber eher Kommunikationsimpulse geben – dem Besucher das Innenleben der JVA näherbringen und Gesprächsstoff für den kurzen Aufenthalt liefern. Um ganz persönliche Eindrücke aus dem Inneren des Gefängnisses zu bekommen, haben Herzog und Dauer Einwegkameras unter Insassen verteilt. Diese konnten so ihren eigenen Blick auf ihre Umgebung einfangen. Aus den Fotos entsteht dann im Wartehäuschen ein Mosaik aus Eindrücken.

Wichtig war Herzog und Dauer, den Aufenthaltsraum für Langzeitbesuche mit Kleinkindern aufzuwerten. Dieser war wenig einladend, das Spielzeug abgenutzt. Zusammen mit Insassen nutzten sie die Holzwerkstatt der JVA, um den Raum aufzuwerten und hochwertiges Spielzeug herzustellen.

Die Studierenden berichten

Outside the Black Box

Foto: LVR-Klinik Bonn, Museum „Ver-rückte Zeiten“, Archiv mit Patientenbildern (1970 – 2005)

Foto: LVR-Klinik Bonn, Museum „Ver-rückte Zeiten“, Archiv mit Patientenbildern (1970 – 2005)

Die BWL-Studentinnen Jennifer Skibbe und Natasha Grimm haben eine Ausstellung mit Werken von Kunststudenten der Alanus Hochschule und gesammelten Arbeiten ehemaliger Patienten aus dem Psychiatriemuseum „Ver-rückte Zeiten“ in der LVR-Klinik Bonn organisiert.

Insgesamt inspirierten sie 19 Kommilitoninnen und Kommilitonen, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen und Werke für die Ausstellung in der Klinik herzustellen: Eine Ausstellung in der Psychiatrie über Grenzgänge zwischen Gesundheit und Krankheit. Jeder Künstler hatte einen eigenen Raum zur Verfügung, den er bespielen konnte. Zusätzlich konnten die beiden Studentinnen das gesamte Archiv des Psychiatriemuseums durchforsten und ausgewählte Arbeiten in ihre Ausstellung integrieren. So kamen neben den Alanus-Künstlern auch Patienten zu Wort.

Die Ausstellung sollte „Grenzen öffnen“ und die Besucher anregen, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen.

Perspektive Ich

Lilian Friese und Jacqualine Burk (v.l.n.r.). Foto: Anne-Katrin Bicher

Lilian Friese und Jacqualine Burk (v.l.n.r.). Foto: Anne-Katrin Bicher

Einen kritischen Blick auf das Thema „Selfies“ und Selbstdarstellung warfen die Malereistudentinnen Lilian Friese und Jacqualine Burk.

Beim Thema Armut scheint das Selfie nicht die erste Assoziation zu sein. Macht man Selfies nicht in der Regel in einem glücklichen, zufriedenen Moment? Nicht immer spontan, oft inszeniert, zeigt man so, was man hat. Lilian Friese und Jacqualine Burk haben dieses Phänomen weitergedacht und stellten Menschen, die selten die Möglichkeit haben, ihre Glückgefühle in einem Selfie festzuhalten, drei Fragen, die sie mit drei Selfies beantworten sollten:

Was denkst du, wie dich andere sehen?
Wie siehst du dich selbst?
Wie möchtest du, dass dich andere sehen?

Für ihr Projekt gingen die Studentinnen auf drei soziale Einrichtungen für Obdachlose oder Drogenabhängige zu und merkten schnell, dass nicht alle sofort bereit waren, sich vor die Kamera zu stellen. Friese und Burk mussten erst Beziehungen aufbauen, immer wieder Gespräche führen, das Projekt und ihre Idee erklären, bis die ersten zugestimmt und sich der intimen Herausforderung gestellt haben.

Eigenschaft mit Leidenschaft

Foto: Laila Sahrai und Anna Thinius

Foto: Laila Sahrai und Anna Thinius

Eine Woche lang haben Laila Sahrai und Anna Thinius, zwei Masterstudentinnen der Bildenden Kunst, in Kooperation mit der Einrichtung „Jugendwohnen St. Sebastian“ in Königswinter mit jungen Mädchen im Alter von etwa 15 Jahren ein Malprojekt durchgeführt.

Die Mädchen von St. Sebastian sind Schulverweigerinnen und sollen dort wieder an den Regelunterricht herangeführt werden. Was vielen fehlt, ist Selbstvertrauen in die eigenen Fähigkeiten. Und dabei geht es nicht um Mathekenntnisse oder Englischvokabeln. Das Ziel der beiden Studentinnen war, ihnen zu zeigen, dass sie Durchhaltevermögen haben, dass sie Neues lernen können, dass sie im Team sich verständigen und gemeinsam arbeiten können.

Für ihr Projekt stellte ihnen die Einrichtung Wandflächen in einem Unterrichtsraum zur Verfügung. Dort konnten sie an sechs Tagen mit den Mädchen arbeiten. Zuerst befassten sich Künstlerinenn und Schülerinnen mit Maltechniken und den Assoziationen von Eigenschaften und Eigenschaftswörtern. Dann entwarfen die Mädchen Motive, die sie schließlich auf die Wände übertrugen.

Die Studierenden berichten I
Die Studierenden berichten II

Büro für Wunsch- und Fähigkeitsvermittlung

Leon von der Eltz: Mitbegründer des Büros für Wunsch- und Fähikeitsvermittlung. Foto: Anne-Katrin Bicher

Leon von der Eltz: Mit Leo Fischer Mitbegründer des Büros für Wunsch- und Fähikeitsvermittlung. Foto: Anne-Katrin Bicher

Der Malereistudent Leo Fischer und der BWL-Alumnus Leon von der Eltz zogen durch Bonn und baten Passanten, ihnen Wünsche und persönliche Fähigkeiten zu nennen, die sie dann mit passenden Wünschen und Angeboten anderer zusammenbrachten.

Der konzeptionelle Ansatz von Fischer  und von der Eltz ist nicht der Mangel, sondern das Potenzial des Einzelnen bzw. das gemeinsame Potenzial der Menschen in der eigenen Umgebung. Sie gehen davon aus, dass jeder bestimmte Fähigkeiten besitzt, die einen Wunsch eines anderen erfüllen können. Das Problem ist allein das Erkennen dieses Potenzials und das Zusammenbringen der passenden Wünsche und Fähigkeiten. Und genau das haben sie sich mit ihrem „Büro für Wunsch- und Fähigkeitsvermittlung“ auf die Fahne geschrieben.

An mehreren Tagen haben sie das temporäre Büro in der Bonner Innenstadt eröffnet und Passanten eingeladen, mit ihnen ins Gespräch zu kommen und ihre Wünsche und Fähigkeiten auf Karteikarten festzuhalten. Danach brachten die beiden Studenten dann über E-Mail und Telefon die Menschen zusammen. So fand ein Geflüchteter eine Anstellung, ein Austauschstudent eine Wohnung.

Ein Augenzeuge berichtet

Die fortgesetzten Projekte aus 2014

Tabula Rasa

Für „Tabula Rasa“ bauten Miriam Nolte und Loïc Devaux, zwei Masterstudenten der Bildenden Kunst, 2014 gemeinsam mit Geflüchteten eine Tafel-Skulptur aus Schwemmholz. Für ihre Masterarbeit schufen sie 2015 eine zweite temporäre Skulptur mit Geflüchteten und Anwohnern auf der Poppelsdorfer Allee: Die „sKULpTUR ALLEE“.

Foto: Sarah Larissa Heuser

Foto: Sarah Larissa Heuser

Auf dem Grünstreifen der Allee zwischen Stadtschloss und Poppelsdorfer Schloss boten die beiden Studierenden einen Freiraum für Kunstaktionen. Sie stellten eine Tonne vier Meter langer Bambusstöcke und Werkzeug zur Verfügung, um mit allen Interessierten, jedem Passanten, der vorbeikam, eine große Skulptur entstehen zu lassen. Gemeinsam mit Geflüchteten machten sie den Anfang und bauten den ersten Teil der Skulptur, an den dann andere – in wiederkehrenden Gruppen oder in einer einmaligen Aktion – anknüpften und den Bambusbau wachsen ließen. Es ging um das gemeinsame Tun, über Sprachbarrieren oder soziale Unterschiede hinweg. Jeder konnte mitanfassen, jeder Handgriff war willkommen. Ein Ziel oder eine vorgegebene Form für die Skulptur gab es nicht.

Zur Inszenierung der Skulptur putzten die Künstler mit ihren Helfern dann noch die Staßenlaternen der Allee und beklebten sie mit farbigen Folien. Wenn dann am Abend die Straßenbeleuchtung anging, waren Menschen und Skulptur in einen gelb-roten Lichtverlauf getaucht.

Nach einer Woche wurde die Skultur wieder abgebaut. Die Bambusstangen warten seitdem auf einen neuen Einsatz als temporäre Skulptur.

Kunstprojekt Medinghoven

Giuseppe Marino erzählt aus Medinghoven. Foto: Anne-Katrin Bicher

Giuseppe Marino erzählt aus Medinghoven. Foto: Anne-Katrin Bicher

Das Kunstprojekt Medinghoven widmete sich dem als „sozialen Brennpunkt“ bezeichneten Stadtteil Medinghoven in Bonn. Giuseppe Marino und Wolfgang Alexander Tiller brachten 2014 Kinder in realen Kontakt mit Tieren, deren sinnliche Erfahrung sie gemeinsam künstlerisch verarbeiteten. Fortsetzung fand das Projekt 2015 in einem Graffiti-Workshop für Medinghovener Jugendliche, den Marino, Student im Fach Kunst-Pädagogik-Therapie, dieses Mal gemeinsam mit seinem Kommilitonen Tim Vogels durchführte.

Während Miriam Nolte und Loïc Devaux ihr Projekt im Rahmen ihrer Masterarbeit fortsetzen, engagiert sich Giuseppe Marino unabhängig von seinem Studium weiter in seinem Bonner Heimatstadtteil – mit neuem Künstlerkollegen. Die beiden Studenten wollten neben einer Aufwertung des monotonen Straßenbildes eine Gruppe Jugendlicher das Sprayen als Kunstform und damit das Auseinandersetzen mit Farben und Formen näherbringen. Genauso spielten bei den Ausflügen und Gruppenarbeiten auch der Blick über den geographischen Tellerrand und das gemeinsame Verfolgen eines Ziel eine wichtige Rolle. Marino und Vogels zeigten den Jugendlichen legale Graffiti, eine Dokumentation über Sprayer, machten gemeinsame Entwürfe und entschieden sich, auf einem Gashäuschen der Stadtwerke einen großen Schriftzug „Medinghoven“ zu sprayen. Jeder Jugendliche konnte dabei einen Buchstaben entwerfen und dann großflächig an der Wand umsetzen.

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Foto oben: Anne-Katrin Bicher

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