Zu einer Installation von Evi Blink in der U-Bahn Venloer Str. in Köln. Von Ruth Gilberger
Die Kölner Fotografin Evi Blink war als freie Kunstvermittlerin im Projekt Welt im Umbruch tätig und wurde im Rahmen des letzten Summercamps von der Stiftung bei der Realisation ihres partizipativen Projektvorhabens unterstützt.
Müde stürze ich die Treppe runter zu U-Bahn Haltestelle Venloer Str. Diese morgendliche Anstrengung wird häufig mit einer Wartezeit belohnt, denn ich habe eben den Anschluss verpasst. Folglich ein wenig Zeit, in der ich häufig mir zur inneren und äußeren Systemstabilisierung eine Zeitung und ein Getränk an dem kleinen, total vollgestopften Büdchen gekauft habe, dass sich auf dem Bahnsteig zwischen den Gleisen befindet. Wahrscheinlich in den 80er-Jahren eingebaut, wurde es seit langem auf engstem Raum betrieben. Viele Menschen nutzten die Zeit bis zum nächsten Zug nicht nur zum Konsum, sondern auch zum Gespräch mit den freundlichen und zugewandten Inhabern – das Büdchen war Versorgungs- und Anlaufstelle zugleich.
Seit jetzt schon geraumer Zeit ist etwas anders – der Kiosk, schwer und dem Stadtteil angemessen betagt und beklebt, ist hell erleuchtet und – auf den ersten Blick leer.
Interessiert versuche ich, durch die Schaufenster zu spähen und erkenne von innen eingeklebte Fotos, auf denen unscharf Menschen zu erkennen sind. Darunter befindet sich ein handgeschriebener Text, graffitimäßig gut lesbar wie z. B.:
„Wir haben keinen Schnee mehr, es ist gerade 13 Grad, schönes Wetter die Sonne scheint und die Vögel singen.
Ich warte seit langem auf meine Aufenthaltsgenehmigung. Ohne sie kann man nichts machen.
Ich meine: keine Schule keine Arbeit und nicht studieren. Ich frage mich manchmal, ob ich Glück haben muss.….“
Auf den oberen Scheiben des Büdchens lese ich: Was mache ich hier?
Bezieht sich der Titel auf mich? In den Scheiben kleben seit einiger Zeit Zettel, deren Handschrift verrät, dass hier wahrscheinlich keine Hipster eine Antwort auf die Fragen gegeben haben: Was mache ich hier? Worauf warte ich?
Viele Menschen bleiben stehen. Tags und nachts. Sie lesen die Antworten, sie umkreisen den Kiosk, an dem man nichts kaufen kann und den man auch nicht betreten kann, von dem man aber etwas geschenkt bekommt: die Aufforderung, sich und die anderen doch häufiger mal zu fragen, was man macht und worauf man wartet: hier in diesem Leben.
Die Kölner Fotografin und Künstlerin Evi Blink hat sich dieser Frage gestellt und mit der Installation in dem Kiosk, der eigentlich nur vorübergehend als urbanster Ausstellungsraum zu bespielen war, eine für mich präzise Form gefunden, diese Frage nicht zu beantworten, sondern als Frage im öffentlichen Raum sichtbar zu machen. Die Fotos und Texte sind Teil einer künstlerischen Projektarbeit, die sie mit Geflüchteten in Köln realisierte.
Die Antworten, die sie auf dem Bahnhof erhalten hat, ertauschte sie sich in allerbester Kioskmanier: Keks gegen Antwort. Und auch da sind Sätze dabei, die betroffen machen in ihrer Direktheit und Fragen aufwerfen, die ebenso individuell wie existentiell sind und viel Unsichtbares sichtbar werden lassen.
Es ist zu wünschen, dass diese temporär gedachte künstlerische Installation von Evi Blink noch lange im Kiosk sichtbar bleibt. Einfach hinfahren und anschauen!
[…] Kiosk der U-Bahn Haltestelle Venloer Straße eine Installation mit Fotos und Texten von Evi Blink. Ausgehend von diesen Erfahrungen führte Evi Blink ihre Untersuchungen zum Thema „Warten“ […]